Datum: 15. Juli 2020

Fachregierungserklärung – Sejdi: Integration ist keine Einbahnstraße

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zur Fachregierungserklärung der Sächsische Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Petra Köpping zum Thema:
"Gesellschaftlichen Zusammenhalt gestalten, ein soziales Sachsen bewahren"
12. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 15.07.2020, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Menschen mit Migrationsgeschichte kämpfen mit vielen Hindernissen und Schwierigkeiten. Dazu gehören oft Sprachbarrieren und die Herausforderung, sich in einem neuen und anderen Lebensumfeld zurechtzufinden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ungleich schwerer, weil oft eine andere Schulbildung vorliegt oder Abschlüsse anerkannt werden müssen. Viele Menschen mit Migrationshintergrund erleben Diskriminierungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und Untersuchungen verdeutlichen immer wieder, dass Kinder mit Migrationshintergrund häufiger Bildungsbenachteiligungen erleben. Ich kenne viele Menschen, die eine Arbeitsstelle weit unter ihren eigentlichen Qualifikationen annehmen müssen. Ich kenne Textiltechnikerinnen, die Toiletten putzen oder Konditoren mit mehrjähriger Arbeitserfahrung, die keinen Ausbildungsplatz zum Bäcker bekommen.

In dieser Lebenswirklichkeit brauchen die Menschen spezielle, auf ihre spezifischen Probleme zugeschnittene Unterstützungsleistungen, damit sie innerhalb der sächsischen Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben können. Es ist gleichzeitig wichtig, sich zu verdeutlichen, dass jeder Mensch auch Potentiale und Erfahrungen auf beruflicher, kultureller oder auch sozialer Ebene mitbringt, die für eine vielfältige Gesellschaft äußerst gewinnbringend sind. So wachsen viele Kinder, deren Eltern mit Migrationsgeschichte in Sachsen leben, hier zwei- oder mehrsprachig auf. Und: Was wäre unsere Speisekarte heutzutage ohne die italienischen Gastarbeiter der 70er Jahre?

Integration ist keine Einbahnstraße. Ich verstehe Integration als eine Gemeinschaftsaufgabe von Zugewanderten, Staat und Gesellschaft. Das heißt alle Seiten müssen sich einbringen. Menschen aus anderen Ländern müssen als Bereicherung verstanden werden, dann können sie zum gemeinsamen Großen und Ganzen auch etwas beitragen.

Mit dem Sächsischen Integrations- und Teilhabegesetz wollen wir eine klare Rechtsgrundlage schaffen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte. Mir ist es besonders wichtig, dass Teilhabe und Beteiligung bereits in der Entwurfsphase stattfinden. Ich möchte nicht über den Köpfen der Betroffenen entscheiden, was gut für sie ist. Ich möchte wissen, welche konkreten Schwierigkeiten Menschen mit Migrationsgeschichte im Alltag haben und welche Antworten sie darauf für sinnvoll halten.

Viele Unterstützungsleistungen gibt es schon. Diese gilt es weiter zu fördern. Wir wollen die Psychosozialen Zentren stärken und mehr Angebote im ländlichen Raum schaffen. Diese Zentren sind darauf spezialisiert, seelisch belasteten Menschen mit Migrationshintergrund Beratungs- und Therapieangebote zur Verfügung zu stellen.
Wir setzen uns auf Bundesebene weiterhin für eine ausreichende Finanzierung von bundesfinanzierten Maßnahmen wie beispielsweise Migrationsberatungen für Erwachsene und Jugendliche sowie für Integrationskurse und berufsbezogene Sprachkurse ein.
Wir müssen wir die Migrantenselbstorganisationen stärken, denn sie sind die beste Basis auf Menschen mit Migrationsgeschichte mitgestalten und sich einbringen können. Ich bin froh über die Förderprogramme in Sachsen für migrantische Selbstorganisationen. Hier müssen wir aber weiter an Planungssicherheit und Transparenz arbeiten.

Auch Schutz und Sicherheit sind elementar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Menschen mit Migrationsgeschichte erleben häufig in ihrem Alltag rechtsextreme und rassistisch motivierte Gewalt und Strukturen. Solche Einstellungen gefährden den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht nur. Sie sind in der Lage, tiefe Gräben zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren zu ziehen. Wir sprechen uns klar gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung aus und wir wollen eine Zivilgesellschaft unterstützen, die sich gegen solche Tendenzen engagiert. Doch auch dafür müssen noch stärkere Strukturen geschaffen werden – Strukturen, die über das Sächsische Ministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hinausgehen. Es muss Sorge dafür getragen werden, dass wir in Verwaltungen, Bildungseinrichtungen, Kultureinrichtungen und vielem mehr Diversitätssensibiltät und -kompetenz schaffen. » Mehr Informationen zur 12. und 13. Sitzung des 7. Sächsischen Landtages