Familienpolitik – Scholz: Unsere Aufgabe ist es, alle Formen von Familien zu unterstützen
Redebeitrag des Abgeordneten Markus Scholz (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der AfD-Fraktion: „Starke Familien für Sachsens Zukunft – Neuausrichtung der sächsischen Familienpolitik“ (Drs 7/6709)
85. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 20.03.2024, TOP 13
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
wir diskutieren heute über einen Antrag, der vorgibt, die Zukunft unserer Familien und damit die Zukunft Sachsens sichern zu wollen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Antrag keine substanziellen Lösungen für die Herausforderungen des demografischen Wandels bietet.
Es ist unbestreitbar, dass Familien das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden. Doch eines ist ebenso klar: Familien gibt es in allen Formen und Größen.
Ein Blick in die Zweite Sozialberichterstattung zeigt die Realität sächsischer Familien:
Nur 53 Prozent der Familien mit Kindern unter 18 Jahren in Sachsen bestehen aus Ehepaaren. Alleinerziehende machen 24 Prozent aus, während 23Prozent in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften zusammenleben, beispielsweise auch Patchwork-Familien oder Regenbogenfamilien.
Ebenso erleben wir, dass immer mehr Menschen keinen Kontakt mehr zu ihrer leiblichen Familie haben – entweder, weil sie keinen Kontakt mehr wollen, die räumliche oder emotionale Entfernung zu groß ist oder schlicht, weil keine Verwandten mehr am Leben sind. Eine Form der Familie, in der in solchen Fällen dennoch Liebe, Hingabe und Verantwortungsübernahme geschehen, sind Wahlfamilien.
Dies zeigt deutlich, dass die Vielfalt der Familienformen in unserer Gesellschaft eine Realität ist – eine Realität, die Sie ignorieren. Der vorgelegte Antrag versucht ein Familienbild zu zeichnen, das die Lebenswirklichkeit der Hälfte der Familien in Sachsen ignoriert.
Unsere Aufgabe ist es, alle Formen von Familien zu unterstützen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jeder Familie ermöglichen, ihren individuellen Weg zu gehen.
Die AfD thematisiert den demografischen Wandel und Fachkräftemangel und plädiert im gleichen Zuge für eine verstärkte häusliche Erziehung – wobei wir wissen, dass die Kinderbetreuung und Sorgearbeit heutzutage immer noch hauptsächlich auf Mütter fällt. Ein ernstgemeinter Lösungsvorschlag wäre es, die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit in Sachsen deutlich zu verbessern. Wir brauchen flexible Arbeitszeitmodelle und den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, um Eltern, insbesondere Müttern, den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern.
Die Forderung nach mehr häuslicher Erziehung und Betreuung ignoriert zudem die zahlreichen Studien, die die Vorteile frühkindlicher Bildung und Betreuung belegen. Frühe Bildung legt den Grundstein für das lebenslange Lernen. Frühkindliche Bildung fördert entscheidend die kognitive, sprachliche und emotionale Entwicklung von Kindern. Im Umgang mit Gleichaltrigen werden soziale Fähigkeiten wie Teilen, Teamarbeit und Konfliktlösung erlernt, die in der häuslichen Umgebung nicht in diesem Maße gefördert werden können.
Zuletzt noch zu einem ganz besonders tiefgründigen Absatz Ihres Antrags, nämlich II. 3: Hier wissen Sie selbst anscheinend nicht, was in den einzelnen rechtlichen Grundlagen steht, daher für Sie folgender Crashkurs:
- GG Art. 6: Pflege und Erziehung der Kinder = natürliches Recht der Eltern und ihre Pflicht
- LV Art. 101: Werteerziehung, Grundsätze der Erziehung und Bildung, bsp. soziales Handeln
- LV Art. 102: allg. Schulpflicht
- SächsSchulG Par. 1: Erziehungs- und Bildungsauftrag von Schule
- SächsSchulG Par. 32 Schule ist berechtigt zur Erfüllung der ihr übertragenden unterrichtlichen und erzieherischen Aufgaben erforderliche Maßnahmen zu ergreifen
Kurzum: Was Sie wollen, steht entweder schon im Grundgesetz oder würde der pädagogischen Verantwortung nicht gerecht werden.
Deshalb liegen die familienpolitischen Schwerpunkte unserer Fraktion weiterhin in der Qualitätssicherung und -entwicklung von Kindertageseinrichtungen und der Stärkung familienfreundlicher Strukturen. Kitas und Kindertagespflegestellen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für ein gutes Aufwachsen unserer Kinder und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Zusammenfassend ist zu sagen:
- Im vorliegenden Antrag werden Scheinlösungen für die komplexen Herausforderungen des demografischen Wandels geboten.
- Wir brauchen stattdessen realitätsnahe und zukunftsfähige Vorschläge, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit fördern.
- Wir brauchen eine Familienpolitik, die inklusiv, unterstützend und der Vielfalt von Familien in Sachsen gerecht wird ist.
Vielen Dank.