Ganztagsangebote – Melcher: Qualitätsentwicklung ist mehr als das Erfüllen der Mindeststandards
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD: „Ganztägig Bildung und Betreuung weiterentwickeln“ (Drs 7/8363)
41. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Dienstag, 21.12.2021, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit dem vorgelegten Antrag knüpfen wir unmittelbar an einen Antrag aus der vergangenen Legislatur an. Dieser entstand 2018 und war überschrieben mit „Ganztagsangebote qualitativ weiterentwickeln“.
Fast vier Jahre später besteht die Aufgabe zur Weiterentwicklung der ganztägigen Bildung und Betreuung fort – jedoch haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Wir sind gut beraten, diese geänderten Rahmenbedingungen für einen Qualitätsschub zu nutzen.
Doch zunächst die Frage: Wo liegen die Probleme?
Als der eingangs zitierte Antrag damals auf der Tagesordnung des Plenums stand, zogen wir BÜNDNISGRÜNE das Fazit: Quantitativ gibt es bei Ganztagsangeboten in Sachsen kaum Luft nach oben, qualitativ umso mehr. Und nicht überall, wo Ganztag drauf steht, ist auch Ganztag drin.
Im Grunde gilt dieses Fazit unverändert fort, inklusive der bekannten Probleme:
Erstens: Die Qualität sächsischer Ganztagsangebote hängt maßgeblich am Engagement der vor Ort tätigen Lehrkräfte und Angebotsleiter*innen. Schulen entwickeln ihre Ganztagsangebote selbst, müssen selbst geeignetes Personal dafür finden und eigenständig die Qualität der Angebote sichern.
Die Beratungs- und Unterstützungsleistungen gehen kaum über die üblichen Tätigkeiten der Schulaufsicht hinaus.
Zweitens: Es war und bleibt ein Problem, geeignete Angebotsleiter*innen zu finden. Eine Zuweisung von Lehrerwochenstunden oder Mehrarbeitsvergütung für den Ganztagsangebots-Bereich ist aufgrund des Lehrermangels praktisch unmöglich. Gleichzeitig sind Ganztagsangebote für Honorarkräfte wenig attraktiv – sowohl hinsichtlich der Arbeitszeiten als auch mit Blick auf die Vergütung.
Drittens: Die Zusammenarbeit von Grundschule und Hort bleibt vielerorts ausbaufähig. Oftmals wird ein asymmetrisches Kräfteverhältnis und eine Dominanz der Institution Schule beklagt. Zwar ist die Zahl der Schulen mit Ganztagsangeboten gestiegen. Der Anteil gebundener, rhythmisierter Ganztagsschulen stagniert hingegen.
Was ist also zu tun?
Qualitätsentwicklung ist mehr als das Erfüllen der Mindeststandards. Schulen mit Ganztagsangeboten müssen mehr als bisher bei der Qualitätssicherung und -entwicklung unterstützt werden.
Ich freue mich sehr, dass es wieder eine Servicestelle GTA geben wird, zusätzlich zur Fachstelle an der TU Dresden. Diese Servicestelle soll interdisziplinär ausgerichtet sein und ein Ganztags-Monitoring begründen.
Ein weiterer Baustein zur Qualitätsentwicklung ist eine gute, gepflegte und breit aufgestellte Kooperationsdatenbank, damit Angebot und Nachfrage auch zueinander finden. Dabei sollte unbedingt das Know-how der GTA-Akteure und der regionalen und lokalen Anbieter einfließen.
Wir brauchen außerdem Mindeststandards für die Vergütung von externen Fachkräften.
Eine noch so gute Ganztagskonzeption bleibt Makulatur, wenn es nicht gelingt, sie mit Hilfe engagierter Externer mit Leben zu erfüllen.
Weiterhin rücken wir die Kooperation zwischen Schule und Hort erneut in den Fokus.
Zur Erinnerung: Es sind stets die gleichen Kinder, die vormittags in der Schule sind und die nachmittags den Hort besuchen oder Ganztagsangebote der Schule wahrnehmen.
Trotz unterschiedlicher Trägerschaft der Institutionen: Beide, Schule und Hort, sind feste Bestandteile EINES Tages im Leben der Kinder. Dieser EINE Tag muss deshalb auch ganzheitlich in den Blick genommen werden.
Die sächsischen „Ganztagspiloten“ sollten erproben, wie eine bessere Verzahnung gelingen und wie ein rhythmisierter Ganztag gestaltet werden kann.
Anreize für eine Rhythmisierung setzen wir außerdem über die Förderung: Statt Mittel für ein Schuljahr auszureichen, wollen wir mehrjährige Pauschalen auszahlen, wenn ein entsprechendes Ganztagsschulkonzept vorliegt. In diesem Zuge wollen wir auch den Qualitätsrahmen Ganztagsangebote verbindlicher machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich sprach eingangs von geänderten Rahmenbedingungen. Im September konnte das Ganztagsförderungsgesetz des Bundes in letzter Minute im Vermittlungsausschuss geeint werden. Damit stehen in den kommenden Jahren Gelder in nicht unerheblichem Umfang, konkret 3,5 Milliarden Euro, bereit.
Auf Sachsen entfallen gemäß Königsteiner Schlüssel allein durch den Beschleunigungstopf 37 Millionen Euro, weitere Tranchen werden folgen. Anstatt der ursprünglich vorgesehenen Quote von 50 sind nunmehr 70 Prozent der Kosten durch den Bund förderfähig. Parallel verstärkt der Bund im Rahmen des Corona-Aufholprogramms die GTA-Mittel des Freistaates.
Uns ist es als Koalition wichtig, dass diese zusätzlichen Mittel tatsächlich für einen Qualitätsschub genutzt werden.
Und, dass die spezifische Situation im Freistaat berücksichtigt wird. Wenn 86 Prozent der sächsischen Schülerinnen und Schüler den Hort besuchen, muss sich dies im Konzept und in der Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung niederschlagen.
Somit hoffe ich, dass wir gute Chancen haben werden, dass wir bei der nächsten Debatte zu ganztägiger Bildung in Sachsen vielleicht ein positiveres Fazit ziehen können als zuletzt. Dass wir qualitativ einen Sprung gemacht haben. Und dass mehr Ganztag drin ist, wo Ganztagsangebot drauf steht.
Insofern bitte ich um Ihre Zustimmung zum vorliegenden Antrag. Vielen Dank.