Gleichstellungsgesetz – Hammecke: Gleichstellung ist eine Aufgabe von Verfassungsrang

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst im Freistat Sachsen“ (Drs 7/13243)
76. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.09.2023, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter*r Präsident*in,
werte Abgeordnete,

vor uns liegt ein Gesetzesentwurf mit besonderer Bedeutung: Wir modernisieren nach 30 Jahren das Frauenförderungsgesetz zu einem echten Gleichstellungsgesetz. Als BÜNDNISGRÜNE ein Herzensanliegen, für das wir, aber auch viele viele andere Menschen und Initiativen außerhalb des Landtages sich seit Jahren eingesetzt haben. Ihnen gilt an dieser Stelle als erstes mein Dank.

Gleichstellung ist eine Aufgabe von Verfassungsrang. Seit 1992 sieht die Sächsische Verfassung die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen vor. Sogar zwei Jahre bevor der Passus im Grundgesetz ergänzt wurde!

Nun novellieren wir das Frauenförderungsgesetz aus dem Jahr 1994, denn obwohl ein Gesetz mit guten Zielen, war es an zu vielen Stellen nicht konsequent genug, wurde höchst unterschiedlich umgesetzt und blieb leider zu häufig ein zahnloser „Tiger“: „Frauenförderplan habe ich keinen“, „eine Stellvertretung auch nicht“, „ich darf nicht zur Weiterbildung, ich werde nicht freigestellt“ – all dies sind Berichte von Frauenbeauftragten. All dies soll sich nun ändern, denn dieses Gesetz bringt nun endlich Klarheit und Konsequenz.

Werte Abgeordnete,
mit dem vorliegendem Gesetz fördern wir Frauen in Führungspositionen. Wir stärken diejenigen, die sich in den Dienststellen für Gleichstellung stark machen: die Gleichstellungsbeauftragten – und wir ermöglichen bessere Vereinbarkeit von Familie oder Pflege und Beruf für alle Bediensteten.

Wie machen wir das konkret?

Wir erhöhen die Anzahl von Frauen in Führungspositionen, indem wir ihnen die Teilnahme bei Weiterbildungen und Mentorings bevorzugt ermöglichen, indem wir bei Bewerbungen mindestens paritätisch Frauen einladen, ermöglichen Führungspositionen, wenn keine zwingenden Gründe dagegen sprechen, künftig auch in Teilzeit – und fördern Frauen, in den Ebenen, in denen sie unterrepräsentiert sind.

Wir stärken außerdem die Gleichstellungsbeauftragten. Wir konkretisieren die Freistellungsregelungen, wir stärken in Land und Kommunen ihre Beanstandungsrechte bis hin zu einem Klagerecht, damit sie eben nicht mehr nur auf den guten Willen des Dienstherren angewiesen sind und konkretisieren ihre Beteiligungsrechte.

Werte Abgeordnete,

wenn wir über Gleichstellung im öffentlichen Dienst sprechen, sprechen wir auch darüber, wie wir den öffentlichen Dienst für Bewerber*innen aller Geschlechter attraktiv und familienfreundlich machen. Die fehlenden Fachkräfte im öffentlichen Dienst wurden ja breit auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Dabei ist es zentral, eine funktionierende Verwaltung zu haben. Und attraktiv werden wir nur, wenn wir Vereinbarkeit konsequent mitdenken.

Die Möglichkeit Remote zu arbeiten, flexible Arbeitszeitgestaltung, Teilzeit in Führungspositionen – das steht allen Bediensteten zur Verfügung und ermöglicht so allen, sich auch gleichberechtigt an Pflege oder Sorgearbeit zu beteiligen. Ein Gedanke, den wir in 2023 umso mehr brauchen, da wir einerseits eine alternde Bevölkerung sehen, ebenso aber ein Wechsel in der partnerschaftlichen Aufteilung von Sorgearbeit.

Werte Abgeordnete,

eines ist dem Gesetz aber inhärent. Es geht nicht an allen Stellen immer in der gleichen Geschwindigkeit voran – denn dieses Gesetz ist natürlich ein Ergebnis politischer Aushandlung. Und zwar nicht nur zwischen Koalitionspartner*innen, sondern eben auch mit der kommunalen Ebene. Denn eines war uns wichtig als Koalition: Gemeinsam und im Konsens mit der kommunalen Ebene zu entscheiden, wie weit wir gehen. Erste, wichtige Schritte gehen wir: Das Klagerecht gilt auch für die Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen, aber auch die flexiblen Arbeitszeitmodelle und Teilzeit in Führungspositionen gelten ebenso für die kommunalen Dienststellen. Eine weitere wesentliche Verbesserung sind die neuen zukünftig hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten, diese müssen nun bereits ab 17 000 Einwohner*innen bestellt werden. Das sind in der Fläche neun hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte in ganz Sachsen mehr.

An einigen Stellen aber haben wir für die Kommunen auch Sonderregelungen getroffen, indem die alten Regelungen des Frauenförderungsgesetzes weiter gelten. Das ist aber nicht das Ende der Diskussion – sondern erst der Anfang. Sowohl die Kommunen als übrigens auch die freie Wirtschaft kann zukünftig sehen, wie Gleichstellungsarbeit wirkt. Was es für Vorteile mit sich bringt, starke Gleichstellungsbeauftragte zu haben. Ich denke, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, ist hier die wichtigste Devise.

Werte Abgeordnete, einige Dinge in der Debatte ärgern mich.
Behauptungen, die so einfach nicht stimmen und doch immer wieder verbreitet werden.
Da wird vom Antimännergesetz geredet oder von Lobbyverbänden der GRÜNEN. Das Ziel ist klar: Gleichstellung klein reden und lächerlich machen, obwohl wir hier über einen Verfassungsauftrag und 50 Prozent der Bevölkerung sprechen.

Deshalb zwei kurze Richtigstellungen:

Nein, Männer werden durch das Gesetz nicht diskriminiert! Zum einen profitieren an ganz vielen Stellen eben alle Geschlechter von diesem Gesetz – ich bin darauf eingegangen. Zum anderen gibt es einen klaren Verfassungsauftrag zur Förderung von Frauen. Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz und Artikel 8 der Sächsischen Verfassung geben dem Staat ausdrücklich den Auftrag, die tatsächliche Gleichstellung zu fördern.

Die zweite Aussage ist ebenso falsch: Frauen seien „bei uns“ längst gleichgestellt. Falsch! Obwohl Frauen im gesamten öffentlichen Dienst im Freistaat mit 65 Prozent vertreten sind und Frauen im Schnitt die besseren Abschlüsse mitbringen, stagniert ihr Anteil in den Führungspositionen bei nicht einmal 50 Prozent. Und hier schwankt der Anteil enorm und es gibt krasse Ausreißer nach unten. Seien es null Prozent (ich wiederhole: null Prozent) in manchen Bereichen oder 14 Prozent bei der Polizei. Die Zahlen können Sie den Frauenförderberichten entnehmen. Sie weisen auf strukturelle Hindernisse für Frauen hin, die es zu beseitigen gilt. Dies gehen wir mit dem Gesetz an.

Aber wie geht es nun weiter mit dem Gleichstellungsgesetz? Ich werbe dafür, klug zu informieren. Die Neuerungen in Leitfäden und FAQs zielgruppengerecht zu erarbeiten. Denn Gleichstellung kann nur gelingen, wenn wir alle daran mitwirken.

Ich bin davon überzeugt, mit dem diesem Gesetzesentwurf liegt ein modernes Gleichstellungsgesetz vor. Viele Menschen haben sich seit Jahren dafür eingesetzt. Die Gleichstellungsbeauftragten warten auf die Novellierung. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf.

Und möchte mit einem Zitat enden, mit dem Andrea Dombois vor rund 30 Jahren ihre Rede zum Frauenförderungsgesetz beendete:

„Die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die keinen Aufschub verdient. […] In diesem Sinne wünsche ich dem Sächsischen Frauenförderungsgesetz für die Zukunft eine erfolgreiche Umsetzung in die Praxis und eine breite Signalwirkung auch für andere Lebens- und Arbeitsbereiche.“

Diesem Wunsch möchte ich mich gerne anschließen, auch fürs Gleichstellungsgesetz. Vielen Dank!