Datum: 03. Mai 2024

Große Anfrage „Tatörtlichkeit Kirche“ – Lippmann: Christliche Kirchen in Sachsen haben solche Beschützer wie die AfD nicht nötig

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Großen Anfrage der AfD „Tatörtlichkeit „Kirche/kirchliche Einrichtung“ – Brandstiftung, Sachbeschädigung und weitere Straftaten in den Jahren 2022 und 2023″ (Drs 7/15493)

88. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag 03.05.2024, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist das Anliegen der AfD-Fraktion, den Eindruck zu vermitteln, als seien die christlichen Kirchen in Sachsen einer Welle von – so wörtlich – „Hassverbrechen“ ausgesetzt. Die Methode der AfD ist, dass, wenn Beweise nicht angeführt werden können, die Behauptung einfach hartnäckig in verschiedenen Variationen wiederholt wird. Getreu dem Motto, irgendwas wird schon hängen bleiben, egal wie falsch die Behauptung ist.

Beispiel: Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme zu Ihrem Antrag „Kirchen und christliche Denkmale besser vor Übergriffen schützen“ aus dem letzten Jahr deutlich gemacht, dass „zielgerichtete Straftaten gegen Kirchen bzw. religiöse Symbole (…) über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität“ in jährlich weniger als zehn Fällen registriert werden.

Um eines unmissverständlich klarzustellen: Straftaten gegen christliche Symbole, Vandalismus an Kirchen oder auch an Einrichtungen anderer Religionen und die Störung der Religionsausübung sind zu verurteilen und zu bestrafen. Keine der einzelnen dokumentierten Straftaten soll als solche verharmlost werden.

Aber das bedeutet eben nicht, dass sich aus allen Straftaten mit dem Kriterium „Tatörtlichkeit Kirche“ auch ein Muster ergibt, das auf Hassverbrechen gegen Christinnen und Christen hindeutet.

Aber man hat sich ja nun mühsam einen Popanz aufgebaut. Auf den will man nicht so einfach verzichten. Also betont die AfD in den Vorbemerkungen zu Ihrer Großen Anfrage die – ich zitiere – „Tatsache ist, dass die mit Abstand meisten Straftaten mit der Tatörtlichkeit ‚Kirche / kirchliche Einrichtung‘ (…) direkt gegen kirchliche Gebäude bzw. ihnen zugehörige Gegenstände gerichtet waren (…) auch wenn primär ein anderes Tatmotiv zugrunde gelegen haben mag (z. B. besonders schwere Fälle des Diebstahls (…)“.

Straftaten in Kirchen sind Straftaten gegen Kirchen – das ist das Mantra, das unentwegt wiederholt wird. Das ist nur leider nicht sonderlich erkenntnisstiftend.

Auch wenn der Antragssteller selbst, wie eben demonstriert, einräumt, dass andere Tatmotive vorliegen, müssen die Straftaten für die Klage über Hassverbrechen gegen Christinnen und Christen herhalten! Und das ist der Grund für 340 Einzelfragen mit 340 Antworten, die kein Bild ergeben, weil schon die Methodik der Anfrage Quatsch war. Mit Ihrer Erhebung und vor allem Ihrer Schlussfolgerung wäre man in jedem Empirik-Seminar vor die Tür gesetzt worden.

So müsste es eigentlich auch der AfD aufgefallen sein, dass sie zwar 338 Fälle beklagt, in ihrer Begründung des Entschließungsantrags aber nur ganze vier benennen kann, bei denen tatsächlich eine dezidiert christentumsfeindliche Motivation angenommen werden kann.

Zwei Aspekte sind hervorzuheben: Von den 338 Fällen sind 245 schlichter Diebstahl – meist von Kupfer an Gebäuden. Und es lässt sich nicht nachweisen, dass Angehörige anderer Religionen antichristlich motivierte Straftaten gegen Gläubige oder kirchliche Einrichtungen begehen.

Aber die AfD weiß ja selber nichts über die Motive! Sonst müsste sie in ihrem Entschließungsantrag ja nicht die Staatsregierung auffordern – Zitat – „eingehend zu untersuchen, welche Motive und Hintergründe zu Straftaten gegen Kirchen und kirchliche Einrichtungen führen“ – und es kommt noch besser – „und inwieweit hierbei auch überregional bzw. international verbreitete Aufrufe zur Gewalt gegen Kirchen eine Rolle spielen“.

Nach dem Motto: Nachdem man den Popanz nicht zeigen konnte, soll jetzt die Staatsregierung gefälligst nach ihm suchen. Und international wird das Ganze auch noch, weil die Antragssteller einen Bericht auf Fox News über Attacken gegen Kirchen in den USA gesehen haben.

Aber die AfD bezieht sich in ihrer Großen Anfrage an einer Stelle ja doch tatsächlich auf eine seriöse Quelle, nämlich auf das Hate-Crime-Reporting der OSZE.

Und da schauen wir uns das letzte Jahr, über das berichtet wird, mal an: 2022. Es wurden insgesamt 11.520 Hassverbrechen für Deutschland festgestellt. Davon waren

  • 10.038 rassistisch oder fremdenfeindlich motiviert,
  • 2.641 antisemitisch,
  • 1.422 gegen LGBTI-Personen,
  • 610 antimuslimisch,
  • 145 romafeindlich,
  • und 135 tatsächlich gegen Christinnen und Christen gerichtet.
  • Schließlich richteten sich 88 gegen Menschen mit Behinderungen.

Aus dieser Aufstellung ergibt sich, dass Hassverbrechen in anderen Bereichen eine weitaus größere Dimension erreichen. Aber da die AfD mit dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen die Diskriminierung queerer Menschen oder gegen Angriffe auf Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens nun mal nichts am Hut hat, fällt das bei ihr einfach mal unter den Tisch.

Der Abgeordnete Kühne lässt sich auf der Homepage der AfD-Fraktion wie folgt zitieren: „Statt sich hypermoralisch in die Politik einzumischen, sollten die Kirchen den Menschen Halt und Orientierung bieten.“

Nun, ich denke nicht, dass es die Aufgabe eines sächsischen Landtagsabgeordneten ist, den Kirchen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.

Die Aussagen der Kirchen zur Unvereinbarkeit der AfD-Ideologie mit christlichen Glaubensgrundsätzen sind aber bekanntlich klar und deutlich. Landesbischof Tobias Bilz hält die Werte der AfD für nicht vereinbar mit dem christlichen Glauben. Die Deutsche Bischofskonferenz hat kürzlich festgestellt, dass die AfD für Christen nicht wählbar ist. Dresdens Bischof Heinrich Timmerevers stellte klar: „Als Christ kann ich die Ziele und Haltungen der AfD nicht mit unserem Menschenbild und christlichen Grundwerten vereinbaren.“

Man sieht, dass die christlichen Kirchen in Sachsen solche Beschützer wie die AfD nicht nötig haben. Ich möchte fast sagen: Das ist gut so!

Vielen Dank.