Datum: 01. Februar 2024

Interessenvertretung Pflege – Scholz: Wir befürworten Pflegestützpunkte vor Ort und eine sächsische Pflegekammer

Redebeitrag des Abgeordneten Markus Scholz (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Interessenvertretungen für zu pflegende Menschen, deren Angehörige und für beruflich Pflegende stärken: Pflegebeauftragte:n für den Freistaat Sachsen“ (Drs 7/14877)

83. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 01.02.2024, TOP 14

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

ja, wir brauchen eine größere Aufmerksamkeit für unsere sächsischen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen und auch eine Interessenvertretung, eine Stimme, für unsere beruflich Pflegenden in Sachsen.

In Sachsen leben aktuell etwa 311.000 Pflegebedürftige und durch den demografischen Wandel werden es bis 2035 etwa 326.000 Pflegebedürftige sein. Die Zahl der Pflegebedürftigen in Sachsen steigt seit Jahren. Der überwiegende Teil, und zwar 82 Prozent, wird von Angehörigen teilweise mit Unterstützung durch Pflegedienste oder ganz zu Hause gepflegt. Knapp 18 Prozent werden in vollstationären Pflegeeinrichtungen versorgt.

Ein breites Versorgungsangebot mit vollstationären Einrichtungen, Kurzzeitpflege, teilstationärer Tagespflege sowie ambulanten Pflegediensten steht in Sachsen zur Verfügung. Dies ist nur möglich durch den unermüdlichen Einsatz von Pflegefachkräften und Pflegehelfer*innen – DANKE an dieser Stelle für ihre wichtige und anstrengende Arbeit: In Sachsen sind dies ca. 75.000 Beschäftigte und sie zählen damit zur größten Berufsgruppe im Gesundheits- und Pflegebereich.

Allein diese Zahlen machen deutlich, dass das Thema Pflege in Sachsen einen sehr hohen Stellenwert haben muss. Daher sind wir der Linksfraktion sehr dankbar für diesen wichtigen Antrag.

Allerdings sehen wir BÜNDNISGRÜNE die Aufgabe der Interessenvertretung nicht als Aufgabe einer Person, einer/eines Pflegebeauftragten, zentral in Dresden. Sondern gerade in Bezug auf Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollten Anlaufstellen für Beratung, Aufklärung und Vernetzung dezentral in den Landkreisen und kreisfreien Städten geschaffen werden. Wir favorisieren hier Pflegestützpunkte.

Schaut man sich das Angebot an, welches von der telefonischen oder persönlichen Pflegeberatung, Onlineangeboten der Pflegekassen über die Internetplattform PflegeNetz Sachsen bis hin zum Pflege- bzw. Beratungseinsatz von ambulanten Pflegediensten reicht, ist diese Vielfalt für Pflegebedürftige und Angehörige nicht leicht überschaubar. Viele Leistungen werden dadurch nicht in Anspruch genommen, obwohl sie zu einer Entlastung der Pflegesituation beitragen könnten. So wissen Angehörige, die die Pflege erbringen, oft nicht, dass sie auch Urlaub machen können, und durch Verhinderungspflege die Versorgung ihres pflegebedürftigen Familienmitglieds für diese Zeit absichern können. Auch die Unterstützungsangebote im Alltag können zu einer Entlastung beitragen, aber wie finde ich entsprechende Angebote und Anbieter?

Von der ersten Frage „Wie stelle ich einen Pflegeantrag?“ über „Welche Möglichkeiten der Pflege gibt es?“ und „Welche Leistungsansprüche habe ich?“ gibt es viel Beratungsbedarf. Für uns BÜNDNISGRÜNE sind gerade hier Pflegestützpunkte vor Ort gefragt. Hier kann unabhängige und vertrauensvolle Beratung erfolgen, die vor allem auch regionale Versorgungsangebote kennt.
Außer Sachsen (und Sachsen-Anhalt) haben alle anderen Bundesländer bereits 2008 Pflegestützpunkte geschaffen und bieten damit Hilfesuchenden alle wichtigen Informationen, Antragsformulare und konkrete Hilfestellungen an.

Für die beruflich Pflegenden sehen wir BÜNDNISGRÜNEN eine Selbstverwaltung in Form einer sächsischen Pflegekammer als geeignet an. Analog der Sächsischen Ärztekammer, kann die Pflegekammer die Interessen der Pflegenden gegenüber der Landesregierung, Verbänden und Behörden vertreten. Die Berufsgruppe kann gestärkt werden, indem sie über Weiterbildung und Qualifikationen mitentscheidet und diese durch die Pflegekammer organisiert werden. Die Pflegenden verdienen mehr Anerkennung und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Dies kann durch eine Pflegekammer als Berufsvertretung und aktives Sprachrohr gelingen.

Um künftig die pflegerische Versorgung in Sachsen sicherzustellen, müssen wir die Kompetenz der beruflich Pflegenden bei der Gestaltung zukunftsweisender pflegerischer Konzepte einbinden. Diese Prozesse müssen von einer Selbstverwaltung der beruflich Pflegenden, einer Pflegekammer, mitentschieden und begleitet werden.

Die Pflegequote, also der Anteil pflegebedürftiger Menschen in Sachsen, beträgt 7,7 Prozent, damit stehen wir im Ländervergleich an zweiter Stelle (gemeinsam mit Sachsen-Anhalt) und liegen 1,7 Prozentpunkte über dem gesamtdeutschen Durchschnitt.

Dies sind Zahlen, die uns in Sachsen zum Handeln auffordern. Wir BÜNDNISGRÜNE sehen u.a. mit Pflegestützpunkten und einer sächsischen Pflegekammer Lösungsmöglichkeiten, um den künftigen Herausforderungen mit der zunehmenden Zahl an Pflegebedürftigen und dem Fachkräftemangel im Pflegebereich zu begegnen – eine einzelne beauftragte Person könnte diese Lücke nicht ausfüllen.

Wir können Ihrem Antrag daher nicht zustimmen.

Vielen Dank!