Datum: 21. Mai 2021

Jugendleiterausbildung – Kuhfuß: Die Ehrenamtlichen und Träger brauchen maximale Unterstützung

Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD „Attraktivität der Jugendleiterausbildung erhöhen“ (Drs 7/6210)
31. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag, 21.05.2021, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

für den Koalitionsantrag zur Steigerung der Attraktivität der Jugendgruppenleiterausbildung möchte ich sie zu Beginn auf eine gemeinsame Zeitreise einladen. Zurück in unsere Kindheit oder Jugendtage. Zurück an unser erstes oder unser liebstes Ferienlager, Rüstzeit oder Sportcamp. In die Zeit mit kniffeligen Schnitzel-Jagden, aufregenden Nachtwanderungen und gemütlichen Lagerfeuern mit Gitarre und Stockbrot. Vielleicht aber auch die Zeit vom ersten heimlichen Kuss, der ersten Disco oder auch dem ersten Liebeskummer. Es waren für die meisten von uns auch die ersten Ausflüge – so ganz ohne Eltern. Und so ist es auch heute noch. Für Kinder und Jugendliche bieten Ferienmaßnahmen und Wochenendcamps die Möglichkeit, sich in einem neuen, aber geschützten Rahmen auszuprobieren.

Das alles geht nur, weil motivierte Freiwillige Verantwortung übernehmen, die Gruppe zusammenhalten, den Tag strukturieren oder bei Kummer trösten. In Zeiten von Instagram, TikTok, Youtube und oft ungefiltertem Medienkonsum braucht es diese Räume – vielleicht sogar noch mehr als in unseren Jugendzeiten.

Die Fähigkeiten und Erfahrungen, die wir Kindern und Jugendlichen in diesen pädagogisch begleiteten Settings mitgegeben können, sind wichtig für das gesamte spätere Leben. So sind zumindest meine Erfahrungen. Es klingt vielleicht banal, aber der 13-Jährige in meinem letzten Wintercamp, der feststellt, dass er keine Bettwäsche überziehen kann, hat ein Jahr später verstanden, dass es möglich ist, sich außerhalb von „Pension Mama“ den alltäglichen Dingen und Aufgaben zu stellen. Solche praktischen Erfahrungen junger Menschen könnten der Beginn von Ausgrenzung und Häme sein, müssen es aber nicht, wenn die Situation von guten Gruppenleiter*innen aufgefangen wird.

Kinder und Jugendliche lernen in außerschulischen Kontexten ungezwungen, sich selbst zu organisieren, Konflikte zu lösen und ein miteinander zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen, ihren Platz in einem Team zu finden.

Wer sich ab und an mit den Trägern unterhält, weiß, dass es jedes Jahr schwerer fällt, ausreichend Engagierte zu finden, die ihr Wochenende oder ihren Jahresurlaub mit unseren Kids verbringen statt im eigenen Urlaub einfach nur die Füße hochzulegen. Damit Ferienlager, Rüstzeiten und Camps für Sport, Jugendfeuerwehr und Naturfreunde auch weiterhin Bestand haben und in dieser hohen Qualität fortgeführt werden können, braucht es die maximale Unterstützung jener Ehrenamtlichen und Träger.

Mit der Jugendleitercard – kurz JuLeiCa – hat sich in den letzten Jahren ein einheitlicher Standard für die Ausbildung von Jugendgruppenleiter*innen etabliert – und zwar bundesweit. Die Professionalisierung der Qualifikation passiert nicht von allein. Es braucht starke Strukturen, die das leisten können und auch die finanziellen Möglichkeiten haben, die intensiven Fortbildungsformate überhaupt anzubieten. Wir brauchen mehr gut ausgebildete Gruppenleiter*innen, die sich der Aufgabe gewachsen fühlen, andere zu qualifizieren.

So können wir als Eltern auf der einen Seite durch diese Qualifikation sicher sein, dass unsere Kinder in guten Händen sind. Aber auch die Träger wissen, dass ihre zukünftigen Ehrenamtlichen nicht nur den Tag planen und strukturieren können, sondern z.B. auch rechtlich geschult sind, im medizinischen Notfall auch erste Hilfe leisten können, Beteiligungsprozesse ermöglichen und das Kindeswohl im Blick haben.

Auf der anderen Seite ist es natürlich auch eine tolle Möglichkeit für junge Menschen, sich auszuprobieren. Sie können wertvolle Erfahrungen an der Seite von „alten Häsinnen und Hasen“ sammeln und erleben Kinder in einem ungezwungenen Rahmen, fernab von Schule und Elternhaus. Diese jungen engagierten Menschen werden durch diese Erfahrung möglicherweise motiviert, in die sozialen Berufen zu gehen. Sie werden so vielleicht ein Teil der so dringend benötigten Fachkräfte – als Erzieher*innen, Lehrer*innen oder Pflegekräfte von morgen.

Sachsen ist noch eines der wenigen Bundesländer, in denen für die Jugendleiter-Ausbildung ein Teilnehmerbeitrag erhoben wird. Mit diesem Antrag wollen wir das ändern. Damit wird der Einstieg ins Ehrenamt kostenfrei und eine Barriere abgebaut. Mit dem gestern beschlossenen Haushalt ermöglichen wir zusätzlich, dass die regelmäßig notwendigen Wiederholungsschulungen und die Ausbildung der Ausbilder ohne Teilnehmergebühren möglich ist.

Ich bin selbst nach wie vor Betreuerin und Ausbilderin im Bereich JuLeiCa. Wenn ich mich mit meinen Kolleg*innen austausche, ist eine Botschaft momentan deutlich zu hören: Das Ehrenamt braucht eine Reanimation nach der langen und notwendigen Corona-Pause, denn besonders in diesem Sommer brauchen Kinder und Jugendlichen Orte und Möglichkeiten, um einfach Kind zu sein und sich auszuprobieren. Sie brauchen Angebote, bei denen sie auch mal laut und wild sein dürfen, sich frei fühlen, weil sie weder über Lernsax noch über den heimischen Küchentisch gebeugt sind. Dafür schaffen wir jetzt auf Landesebene ein Rahmen, um coronakonform in festen Gruppen und mit Hygienekonzept Ferienlager und Co. auch diesen Sommer möglich werden zu lassen.

Dieser Antrag ist rein finanziell betrachtet ein kleiner Baustein im Landeshaushalt, aber er ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Respekt und Anerkennung vor ehrenamtlicher Arbeit.

Doch es geht noch mehr. Weitere wichtige Schritte wären aus meiner Sicht: ein automatischer Zugang zur Ehrenamtskarte für Jugendgruppenleiter; eine Regelung, die es jungen Menschen, die sich engagieren oder fortbilden, leichter macht, dies in Sachsen als Bildungsurlaub anerkannt zu bekommen; und eine praktikable Antragstellung für überörtliche und kommunale Träger, so dass in Zukunft sachsenweit öffentlich geförderte Angebote für alle Kinder und Jugendlichen zur Verfügung stehen – egal wo sie wohnen.

Last but not least bleibt noch der Bereich der internationalen Jugendbegegnungen, der auch in den Settings mit vielen ehrenamtlichen Gruppenleiter*innen arbeitet. Internationale Jugendarbeit hat es in Sachsen schwer. Das liegt auch an Strukturen in der Verwaltung, die über Jahrzehnte hinweg eher verhindert, als ermöglicht wurden. Das ändern wir! Wir haben gestern mit dem Haushalt beschlossen, dass wir diesen Prozess mit Kompetenzzentren für interkulturellen Bildung stärken. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Weltoffenheit dieses Bundeslandes.

Sächsische Kinder und Jugendliche sollen sich die Welt anschauen, mit den tschechischen oder polnischen Nachbarn im Umweltcamp Neues erleben können oder in Frankreich die gemeinsame Geschichte aufarbeiten. Nein, das sind nicht nur BÜNDNISGRÜNE Träumereien. Das ist Bildung in einer globalen Welt, die global denkt und handelt. Das ist Zukunft! Auch dafür brauchen wir fitte Gruppenleiter*innen, die sich diesen Abenteuern mit Haltung und pädagogischem Werkzeugkasten stellen.

Es bleibt also noch einiges zu tun! Heute bitte ich sie aber, im Sinne unserer Kinder und der Anerkennung dieser ehrenamtlichen Arbeit, um Zustimmung für unseren Antrag.