Kopftuchverbot an Schulen – Melcher: Gesetzentwurf der AfD ist offen diskriminierend
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion AfD: „Gesetz zur Einführung eines Kopftuchverbotes in Schulen und in Kindertageseinrichtungen“ (Drs 7/11343)
82. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 31.01.2024, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die AfD will mit ihrem Gesetzentwurf Mädchen und jungen Frauen das Tragen eines „islamischen Kopftuchs“ in Kindertageseinrichtungen und Schulen verbieten.
Damit wittert die AfD ein weiteres Mal ein ganz großes Problem, wo keines ist. Ein weiteres Mal knüpft sie an bestehende Ressentiments und Vorurteile an, um Menschen in diesem Land gegeneinander aufzuwiegeln. Ein weiteres Mal instrumentalisiert die AfD Kinder und Jugendliche – dieses Mal versucht sie sogar, sich als Kämpferin für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu generieren.
An dieser Stelle möchte man eigentlich laut lachen, aber wie so oft bleibt einem das Lachen im Halse stecken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der AfD geht es am allerwenigsten um muslimische Mädchen und Frauen oder gar deren freie Entfaltung. Es geht ihr um ihr Lieblingsfeindbild: den Islam und die angebliche Islamisierung unseres Landes. Die Begründung zum Gesetzentwurf strotzt vor antiislamischer Rhetorik. In der Anhörung wurden eindrücklich Motive ihres anti-muslimischen Rassismus offengelegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sowohl in den schriftlichen Stellungnahmen wie auch in der Sachverständigenanhörung wurde dem Gesetzentwurf eines attestiert: maximale Irrelevanz.
Weder beim Städte- und Gemeindetag noch beim Landkreistag sind Fälle bekannt, bei denen das Tragen eines Kopftuchs irgendwo in Sachsen zu Problemen in Kitas oder Schulen geführt hätte.
Ferner wurde in der Anhörung deutlich: Der Gesetzentwurf ist verfassungswidrig. Er verstößt gegen die Religionsfreiheit, die im Grundgesetz, aber auch in der Kinderrechtskonvention normiert ist. Er verstößt weiterhin gegen das staatliche Neutralitätsgebot, weil die AfD selbstredend nur mit dem „islamischen Kopftuch“ ein Problem hat, nicht aber mit anderen Kopfbedeckungen oder religiösen Symbolen. Der Gesetzentwurf ist schließlich offen diskriminierend, da ausschließlich weibliche Angehörige ausschließlich einer Religion betroffen sind, nämlich Muslima.
Nun sind Irrelevanz und Verfassungswidrigkeit bereits gute Gründe, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich möchte aber noch kurz auf einen Aspekt eingehen, der zu oft unbelichtet bleibt.
Für uns BÜNDNISGRÜNE wird ein Kopftuch dort problematisch, wo es Ergebnis von Zwang ist.
Es steht völlig außer Frage: Die Entscheidung darüber, ein Kopftuch zu tragen, obliegt der Frau und nur ihr. Diese Entscheidung findet aber, wie alle Entscheidungen gerade von jungen Menschen, in einem Kontext statt — vor allem in einem familiären Kontext.
In einem Gutachten von Prof. Uslucan und Prof. Khorchide in NRW heißt es: „Die Vorstellung, jeder könne sich in seiner Biographie seine Religion frei auswählen, geht an der Realität vorbei. Ein jedes Kind wird in eine Familie und damit in eine religiöse oder a-religiöse Umwelt hineingeboren und ist den Einflüssen der Eltern ausgesetzt.“
Mit einem Kopftuchverbot wird der Druck einseitig auf die muslimischen Mädchen verlagert: Entweder verstoßen sie gegen ein gesetzliches Verbot oder sie geraten in Konflikt mit ihren Familien, dem eigenen Glauben und Gewissen.
In dem genannten Gutachten heißt es weiter: „Die zentrale Herausforderung bleibt: Einerseits [die] religiöse Grundierung der Persönlichkeit des Kindes zu akzeptieren, die durch die Einbettung in eine Religionsgemeinschaft entstehende Geborgenheitsgefühle zu fördern und zu respektieren, und andererseits die Wahl- und Alternativmöglichkeiten für die Zukunft offen zu halten, die sich durch eine enge Auslegung der (religiösen) Gemeinschaft zwangsweise ergeben.
Dies ist staatlicherseits nur schwer vorgebbar; sie muss im Einzelfall in der Abwägung der Interessen stets neu ausgehandelt werden.“
Aus unserer Überzeugung ist ein Kopftuchverbot deshalb der völlig falsche Weg. Wichtiger und zielführender ist das Empowerment der Mädchen und jungen Frauen und auch ihrer Eltern, damit sie sich selbstbestimmt für oder gegen Religion entscheiden können.
Vorschriften des Staates zu religiösen Bekleidungsvorschriften verbieten sich. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank.