Lebenslage von Familien – Scholz: Wir müssen sicherstellen, dass alle gleiche Bildungs- und Teilhabechancen haben
Redebeitrag des Abgeordneten Markus Scholz (BÜNDNISGRÜNE) zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE: „Lebenslagen von Familien in Sachsen“ (Drs 7/14588)
83. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 01.02.2024, TOP 12
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Linksfraktion,
vielen Dank für die Große Anfrage, die uns die Gelegenheit gibt, die Lebenslagen von Familien in Sachsen ins Zentrum zu rücken.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um drei wichtige Themen anzusprechen:
Die Lebenslage Alleinerziehender, die Gesundheitsversorgung und die Bildung und soziale Teilhabe von Kindern in Sachsen.
In Sachsen, wie auch deutschlandweit, steigt die Zahl der Alleinerziehenden. Dabei sind Alleinerziehende überwiegend Frauen.
Es ist alarmierend, dass 12,5 Prozent der alleinerziehenden Mütter keinen Berufs- oder Hochschulabschluss haben. Dies spiegelt sich auch im mittleren monatlichen Nettoeinkommen wider, das 2019 bei rund 1.800 Euro lag, wobei ein Drittel sogar mit weniger als 1.500 Euro auskommen muss. Trotz Verbesserungen bei Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag bleibt das Armutsrisiko für Alleinerziehende hoch.
Die Corona-Pandemie hat die Herausforderungen für Alleinerziehende verstärkt sichtbar gemacht. Der Spagat zwischen Beruf, Kinderbetreuung und Homeschooling war und ist für viele eine immense familiäre Belastung.
Mit dem Modellprojekt „ALISA – Alleinerziehend in Sachsen“ ist ein wichtiger Schritt zur Unterstützung Alleinerziehender gemacht. Die Internetplattform dient als zentrale Anlaufstelle für Informationen und Beratung. Ab 2023 wurden zudem in Dresden, Leipzig und Chemnitz regionale Kontaktstellen für Alleinerziehende etabliert.
Mit dem Landesaktionsplan für Alleinerziehende wollen wir Maßnahmen auf den Weg bringen, damit Alleinerziehende selbstbestimmt und ohne finanzielle Sorgen leben können. Alleinerziehende sind besonders häufig auf staatliche Unterstützungen angewiesen, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in dieser Lebenslage besonders schwierig ist. Ein flexibles und familienfreundliches beziehungsweise betreuungsfreundliches Arbeitsumfeld ist daher unerlässlich.
Diesen Herausforderungen wollen wir auf verschiedenen Ebenen begegnen: flexiblere Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Anpassung von Weiterbildungsangeboten sowie die Möglichkeit von Teilzeit-Studium und -Ausbildung.
Zweitens das Thema Gesundheit beziehungsweise Gesundheitsversorgung unserer Kinder: So ist die Anzahl der stationären Fachabteilungen Kinder- und Jugendmedizin, als auch die Bettenzahlen im Zeitraum zwischen 2010 und 2020 sehr konstant. Schaut man aber auf die Zahl der Auslastung, so hat sich diese von 68 Prozent im Jahr 2010 auf 52 Prozent im Jahr 2020 verringert. So die Zahlen aus der kleinen Anfrage (7/9824) vom Mai 2022.
Betrachten wir die Zahlen der niedergelassenen Kinderärzt*innen im Jahr 2022, so sind die Einzel- und Gemeinschaftspraxen im Vergleich zu 2015 weniger geworden. Während die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) konstant geblieben ist.
Obwohl die Geburtenzahlen seit 2017 rückläufig sind, weist die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) in der Bedarfsplanung zum 01. Juli 2023 für Kinderärzt*innen 9 von 25 Regionen in Sachsen als von Unterversorgung bedroht aus.
Und hier müssen wir Anreize schaffen, damit in diesen Regionen Kinderärzt*innen Praxen übernehmen oder als angestellte Ärzt*innen tätig werden. Land, Landkreise, Kommunen und Kassenärztliche Vereinigung (KVS) müssen hier gemeinsam Lösungen finden, um die jeweilige Region und vor allem die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Kinderärzt*innen attraktiv zu machen. Aber gerade beim Thema Lebensbedingungen sind wir als Gesellschaft gefragt, alle willkommen zu heißen. Hier kann beispielsweise ein kommunales Gesundheitszentrum oder ein Gesundheitszentrum verbunden mit einem Krankenhaus mit angestellten Kinderärzt*innen für eine gute Versorgung von Kindern und Jugendlichen sorgen. Eine Anstellung kann die Bedenken im Hinblick auf eine Selbstständigkeit für die Mediziner*innen schmälern. Zudem bietet es die Möglichkeit zur Teamarbeit – beispielsweise eingebettet in einen Wechsel zwischen der Arbeit im ambulanten und im stationären Bereich.
Drittens zum Thema Bildung und Teilhabe in Sachsen: Unser Ziel muss es sein, allen Kindern und Jugendlichen in Sachsen – unabhängig von ihrem sozialen Milieu – gleiche Bildungschancen und umfassende Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe zu ermöglichen. Kinder und Jugendliche aus finanziell benachteiligten Familien sind oftmals häufiger von sozialer Ausgrenzung betroffen, weil sich die Familien etwa keine Mitgliedschaft im Fußballverein oder in der Musikschule leisten können oder die Scham und Hürden als zu groß wahrgenommen werden, Hilfen zu beantragen.
Mit dem Bildungs- und Teilhabepakte haben wir ein Instrument, das Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Familien mit geringem Einkommen gezielt fördert und unterstützt. Es ermöglicht Kindern und Jugendlichen bessere Zugangsmöglichkeiten zu Bildungs- und Förderangeboten sowie zur Teilhabe am schulischen, sozialen und kulturellen Leben: Aktivitäten wie Schul- und Kita-Ausflüge, Klassenfahrten, Lernförderung, Musikschule, Sportverein – damit werden soziale und bildungsbezogene Ungleichheiten verringert.
Wir müssen jedoch anerkennen, dass die bloße Bereitstellung von Mitteln alleine nicht ausreicht. Die Zahlen zeigen, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen, denen Leistungen zustehen, auch tatsächlich erreicht werden. Wir müssen sicherstellen, dass die antragsberechtigten Familien erreicht werden und dass alle Kinder und Jugendlichen, denen Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zustehen, diese auch tatsächlich erhalten. Hier haben wir noch einen Weg zu gehen und wir laden Sie ein, uns auf diesem familienpolitischen Spaziergang zu begleiten.
Vielen Dank.