MDR-Staatsvertrag – Maicher: Rundfunkrat wird künftig staatsferner und bildet die Vielfalt der Gesellschaft besser ab
Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur zweiten Beratung des Entwurfs zum „Gesetz zum Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR)“ Drs 7/5118
25. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 24.03.2020, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
irgendwann muss jedes Haus einmal modernisiert werden. Auch wenn es viele Jahre lang gut in Schuss gehalten wurde, steht die Welt drumherum nicht still. Was bei Aufbau hochmodern war, erscheint Jahre später überarbeitungswürdig. Ansprüche und Gewohnheiten verändern sich. Man kann eine ganze Weile mit dem Renovieren einzelner Bereiche zurechtkommen. Wenn aber die grundlegenden Gegebenheiten nicht mehr passen, dann muss man sie dann doch passend machen. Bisher getrennte Räume verbinden zum Beispiel, neue Leitungen verlegen, größere Fenster einbauen – man sollte vor allem auch die alten und die neuen Nutzerinnen und Nutzer fragen, wie sie sich das vorstellen.
Reden mehrere Partner mit, braucht es zunächst eine Verständigung darüber, was die Erneuerung denn umfassen soll. Das ist bisweilen kein leichtes und leider auch kein kurzfristiges Unterfangen, gerade wenn die Beteiligten das Haus aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen betrachten.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Modernisierung des MDR-Staatsvertrages steht seit Längerem ins Haus.
Seit der Freistaat Thüringen, das Land Sachsen-Anhalt und der Freistaat Sachsen diesen Vertrag 1991 geschlossen haben, hat sich in der Medienwelt, in der bundesrepublikanischen und ostdeutschen Gesellschaft, in der Lebenswelt der Menschen viel verändert. Die gesetzliche Grundlage der Drei-Länder-Anstalt hingegen blieb stets unangetastet – bis heute.
Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur staatsfernen Besetzung der Aufsichtsgremien des ZDF – und damit auch der anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten – haben wir die Novellierung in den drei Partner-Ländern diskutiert, mussten wir sie diskutieren. Das war 2014.
Die Änderungsbedarfe wurden anschließend auch unter Einbezug der Parlamente verhandelt. Das war ein Novum, das ich sehr begrüße. Dabei ging es um eine ganze Reihe von weiteren Baustellen neben der Zusammensetzung der Gremien und um das Austarieren der Interessen dreier Länder. Immer wieder geriet der Prozess ins Stocken, mussten Blockaden gelöst werden.
Im Freistaat Sachsen haben wir BÜNDNISGRÜNEN gemeinsam mit CDU und SPD im Jahr 2019 eine umfassende Novellierung als dringliches Ziel im Koalitionsvertrag verankert. Ich freue mich, dass nun ein Durchbruch gelungen ist und wir heute eine Überarbeitung des MDR-Staatsvertrages vor uns liegen haben, mit der der MDR eine tragfähige und moderne Grundlage für seine weitere Entwicklung erhält.
Die Besetzung des MDR-Rundfunkrates und des Verwaltungsrates wird nun verfassungskonform geregelt. Dazu gehört nicht nur die Begrenzung des Anteils der staatsnahen Mitglieder auf höchstens ein Drittel, sondern auch die Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen, die jetzt im Rundfunkrat besser abgebildet wird. Das war für uns BÜNDNISGRÜNE einer der wichtigsten Punkte, dafür habe ich mich gemeinsam mit den BÜNDNISGRÜNEN Medienpolitikerinnen in Thüringen und Sachsen-Anhalt im Verlauf der letzten Jahre immer wieder stark gemacht und länderübergreifende Vorschläge eingebracht.
Dass die bisherige Zusammensetzung des Rundfunkrates längst nicht mehr auf dem aktuellen Stand ist, wird deutlich, wenn wir uns vor Augen führen, welche grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen sich in den letzten 30 Jahren vollzogen haben.
Es ist beispielsweise mehr als 15 Jahre her, dass mit dem Zuwanderungsgesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung auch die Wende hin zum Konsens geschafft wurde, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Seither wird die bessere Teilhabe von Migrantinnen und Migranten intensiv diskutiert. Dabei sind die öffentlich-rechtlichen Medien ein wichtiges Feld. Das bestätigte die Sachverständige Rudaba Badhakshi von Migranntinnen-Verband DaMigra in der Anhörung im Medienausschuss eindrücklich. Durch eine Repräsentanz der Migrantenverbände im Rundfunkrat kann die Teilhabe der bislang gesellschaftlich marginalisierten Gruppe eindeutig gestärkt werden, in den Angeboten des MDR und auch beim Personal.
Höchste Zeit ist es auch für die Aufnahme von Vertreter*innen von LSBTIQ*. Diese mittlerweile gängige Abkürzung ist selbst Ausdruck einer zunehmenden und breiten Sensibilisierung für die Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter* und queeren Menschen. Ihre Verbände sind auch schon viele Jahre etabliert. Ihre Berücksichtigung bei der inneren Kontrolle der Programmgestaltung im MDR ist längst überfällig.
Im neuen Rundfunkrat, der sich im Dezember dieses Jahres konstituiert, werden nun Verbände von Migrantinnen und Migranten und LSBTIQ* jeweils einen festen Sitz haben. Aber genauso neu auch aus den Bereichen Klima-, Natur- und Umweltschutz, Inklusion und Kultur sowie eine Angehörige oder ein Angehöriger des sorbischen Volkes. Diese gesellschaftlichen Gruppen erhalten damit eine dauerhafte Stimme bei der Kontrolle der Angebote und Inhalte des MDR und seiner Weiterentwicklung. Außerdem sorgen die Begrenzung der Entsendungsdauer aus den verschiedenen Gruppen und ein Rotationsmodell für eine regelmäßige personelle Erneuerung. Der monierten Versteinerung wird entgegengewirkt. Auch die Gleichstellung von Frauen und Männern wird verbessert. All das sind wesentliche Fortschritte, die mit diesem Staatsvertrag kommen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
der MDR-Staatsvertrag ist selbstverständlich auch angesichts der massiven Umwälzungen in der Medienwelt erforderlich.
Zum einen sind Anpassungen an den übergeordneten Medienstaatsvertrag notwendig, der den Schritt von der Rundfunkfixierung hin zur medienübergreifenden Regulierung vollzieht.
Zum anderen ist der MDR zwar bereits wichtige Schritte bei den trimedialen Organisationsformen und der digitalen Programmverbreitung gegangen. Aber irgendwann muss die Rechtsgrundlage dann auch mal an die Realität angepasst werden und vor allem: die Tür für eine Weiterentwicklung öffnen. Mit der Überarbeitung wird der Ausbau landesspezifischer und vernetzter Telemedienangebote zusätzlich zu Hörfunk und Fernsehen befördert. Das ist unabdingbar, damit der MDR die öffentliche Meinungsbildung mit regionalem Bezug in der digitalen Medienwelt angemessen fördern kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn wir BÜNDNISGRÜNE heute diesem Staatsvertrag zustimmen, so nehmen wir doch die Kritik ernst, die in der öffentlichen Diskussion von verschiedenen Seiten zur Novelle geäußert wird.
Auch wir hätten uns eine Reihe weiterer Verbesserungen gewünscht. Etwa die konsequentere Stärkung der festen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die Stärkung der inneren Pressefreiheit über ein Redaktionsstatut, dass die Mitwirkungsrechte in Programmangelegenheiten regelt. Wir wollten die Regierungen künftig ganz aus dem Rundfunkrat heraushalten und die Gesamtanzahl der Sitze nicht erhöhen.
Auch der festgehaltene Kompromiss zur Ressourcenverteilung ist kritisch zu würdigen. Die Bedenken des MDR kann ich hier gut nachvollziehen. Nach meinem Dafürhalten als Medienpolitikerin muss der MDR sich als Drei-Länderanstalt gut dafür aufstellen können, zeitgemäße und regional ausdifferenzierte Angebote zu entwickeln, die nah dran sind an den Menschen, die sie etwas über sich selbst und ihre Regionen erfahren lassen. Die Ressourcenverteilung hat damit eher wenig zu tun.
Dieser Staatsvertrag ist aus unserer Sicht nicht perfekt. Er ist ein Kompromiss. Aber er ist eine gute Grundlage für die weitere Entwicklung des MDR. Die vereinbarten Regelungen müssen sich nun in der Praxis bewähren und dort, wo sie das nicht tun, werden wir uns für eine weitere Anpassung des Staatsvertrages einsetzen – und zwar nicht erst wieder in 30 Jahren.
Vielen Dank.