Datum: 20. März 2024

Mitbestimmung von Behinderten – Čagalj Sejdi: Echte Teilhabe funktioniert nur, wenn alle aktiv am politischen und zivilgesellschaftlichen Leben teilnehmen können

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Für echte Mitbestimmung: Politische und gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit Behinderungen sicherstellen!“ (Drs 7/15502)

85. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 20.03.2024, TOP 14

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Linksfraktion,

vielen Dank für den eingebrachten Antrag, der uns die Gelegenheit gibt, uns intensiv mit dem wichtigen Thema der politischen und gesellschaftlichen Partizipation von Menschen mit Behinderungen auseinanderzusetzen.

Echte Teilhabe funktioniert nur, wenn alle Menschen aktiv am politischen und zivilgesellschaftlichen Leben teilnehmen können, wenn sie gestalten und mitgestalten können.

Gemäß Artikel 29 der UN-Behindertenkonvention sollen „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können, sei es unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter, was auch das Recht und die Möglichkeit einschließt, zu wählen und gewählt zu werden […]“.

Darüber hinaus sollen sie an allen Formen der Mitgestaltung der Gesellschaft und der öffentlichen Angelegenheiten durch politische und zivilgesellschaftliche Organisationen gleichberechtigt teilnehmen können.

Artikel 9 UN-Behindertenrechtskonvention unterstreicht zudem den gleichberechtigten Zugang zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien sowie -systemen, als Grundlage für eine unabhängige Lebensführung.

Doch wie sieht das in der Praxis aus?

Es existieren zahlreiche Barrieren auf allen Ebenen, zum Beispiel auch in Wahllokalen. Diese Barrieren müssen weg.

Hier müssen wir ansetzen: Barrierefreiheit bei der Einrichtung von Wahllokalen ist kein Luxus, kein Nice-to-have, es ist eine Notwendigkeit!

Um eine gleichberechtigte Teilnahme an Kommunal- und Landtagswahlen zu ermöglichen, müssen Wahllokale in barrierefrei zugänglichen Räumen eingerichtet werden und Wahlkabinen entsprechend ausgestattet werden.

Ebenso müssen erforderliche Unterstützungsangebote und Assistenzleistungen rund um den Wahlvorgang vorhanden und immer schnell verfügbar sein:

  • Wahlunterlagen in Brailleschrift,
  • Vorlesehilfen oder Unterstützung beim Ausfüllen der Stimmzettel,
  • Erklärungen zu Wahlzetteln in Leichter Sprache und mit leichten Bildern
  • die barrierefreie Möglichkeit zur Briefwahl muss grundsätzlich gewährleistet sein.

Es muss immer gewährleistet sein, dass eine vertrauliche und eigenständige Stimmangabe möglich ist.

Dies ist nur ein kurzer Abriss zu dem, was es für einen barrierefreien und gleichberechtigten Wahlvorgang braucht. Es braucht natürlich noch viel mehr – ganz besonders auch eine barrierearme und -freie Information durch die Parteien im Vorfeld, aber das müssen wir an anderer Stelle diskutieren. Allem voran steht natürlich das Bewusstsein, dass Barrierefreiheit ein wichtiger Aspekt für echte Demokratie ist – und der Wille, sie umzusetzen.

Die Durchführung der Kommunal- sowie Landtagswahlen in Sachsen obliegt den Gemeinden im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung. Dazu gehören auch die Auswahl und Einrichtung der Wahlräume.

Laut § 13 Kommunalwahlgesetz werden die Wahlräume, ihre Ausstattung und das erforderliche Hilfspersonal von der Gemeinde gestellt. „Die Wahlräume sollen nach den örtlichen Gegebenheiten so ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere Menschen mit Behinderungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird.“

Und auch in § 33 Sächsisches Wahlgesetz ist verankert, dass die „die Wahlräume […] nach den örtlichen Gegebenheiten so ausgewählt und eingerichtet werden [sollen], dass allen Wahlberechtigten, insbesondere Menschen mit Behinderungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Die Gemeinden informieren zudem frühzeitig und in geeigneter Weise, welche Wahlräume barrierefrei sind.“

Hier sind insbesondere die Kommunen gefordert, bei den bevorstehenden Kommunalwahlen am 9. Juni sowie bei der Landtagswahl am 1. September für die Bereitstellung barrierefreier Wahllokale Sorge zu tragen.

Dennoch ist es natürlich wichtig, auch von allen Seiten darauf hinzuweisen, dass Barrierefreiheit nicht nur bedeutet, dass eine Rampe vor das Wahllokal muss, sondern dass hier auf alle Arten von Behinderung beim Wahlgang geachtet werden muss.

Aber auch außerhalb von Wahlen müssen Grundvoraussetzungen geschaffen werden, um Menschen mit Behinderungen eine umfassende Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben und Wirken zu ermöglichen. Dazu braucht es nicht nur das Bekenntnis, sondern den Willen der Landesregierung – es braucht ein novelliertes Inklusionsgesetz. Das hat bereits der 7. Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderung in Sachsen gezeigt.

Uns BÜNDNISGRÜNEN ist das ein wichtiges Anliegen und wir setzen uns dafür ein. Doch es braucht hier natürlich mehr als nur unser Engagement. Realistisch gesagt – in dieser Legislaturperiode wird dies nicht mehr umsetzbar sein. Nicht zuletzt, weil bisher der politische Wille hierfür nicht auf allen Seiten vorhanden war. Wir werden aber weiter dafür kämpfen!

Wir setzen uns auch in Zukunft für ein inklusives Sachsen ein, in dem jeder Mensch vollständig und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben und teilgeben kann.

Vielen Dank.