Personalkommission – Lippmann: Es ist endlich Bewegung in der Personalpolitik
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses zu"ErgebnisberichtKommission zur Ermittlung des künftigen Personalbedarfs (Personalkommission II)" (Drucksache 7/5337)
23. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 04.02.2020, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und
vor knapp zwei Jahren hat die damalige Koalition vereinbart, eine Kommission zur Ermittlung des künftigen Personalbedarfs einzurichten, die dem Landtag bis Ende 2019 ihre Ergebnisse vorlegen sollte.
Ziel war es, in Zusammenarbeit mit den Ressorts, den künftigen, aufgabenorientierten Personalbedarf zu ermitteln. Sie sollte ferner eine Empfehlung zum Verbleib der unter schwarz-rot und schwarz-gelb festgelegten kw-Vermerke für die kommenden Jahre abgeben.
Der Abschlussbericht der Kommission kam ein halbes Jahr später und er ist unmissverständlich:
- Der öffentliche Dienst des Freistaates Sachsen steht vor einem großen Umbruch. Bis zum Jahr 2030 scheiden rund 39.000 von rund 90.000 Bediensteten wegen ihres Eintritts in den Ruhestand aus dem öffentlichen Dienst aus. Das sind etwas über 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum ist mit weiteren 3.800 sonstigen Abgängen, z.B. wegen Dienstunfähigkeit zu rechnen. Daraus ergibt sich in den kommenden 10 Jahren ein Nachbesetzungsbedarf von rund 42.600 Personen, also rund 4.200 Personen jährlich, die im öffentlichen Dienst zur Bewältigung der Aufgaben und zum Erhalt der staatlichen Infrastruktur benötigt werden. Die Personalkommission hat bei der Betrachtung der Altersstruktur und Einstellungsbedarfen auch Bereiche aufgezeigt, in denen die Überalterung des öffentlichen Dienstes und damit der Bedarf von Neueinstellungen besonders hoch ist. So beträgt der Anteil der über 50-jährigen an den Arbeitsgerichten 76 Prozent, bei den Lehrerinnen und Lehrern an Oberschulen und Gymnasium über 60 Prozent und auch besonders wichtige Querschnittsbehörden wie die Landesdirektion und das Sächsische Immobilien- und Baumanagement haben einen Anteil der über 50-jährigen von über 50 Prozent.
- Die Personalkommission hat zudem herausgearbeitet, dass gleichzeitig zu diesen Altersabgängen mit einem starken bis sehr starken Aufgabenzuwachs im öffentlichen Dienst zu rechnen ist, der kurzfristig auch nicht mit der zunehmenden Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen kompensiert werden kann. Die Kommission geht davon aus, dass es derzeit keine Anhaltspunkte für einen geringeren Personalbedarf gibt, sondern es vielmehr überkompensatorischer Einstellungen und der Stärkung von Schlüsselbereichen bedarf.
- Nicht zuletzt hat die Personalkommission dargelegt, dass aktuell ca. 25 Prozent des Staatshaushalts für Personal ausgegeben wird und dieser Wert auch bei Neueinstellungen stabil gehalten werden kann. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Sachsen die zweitniedriegsten laufenden Personalausgaben, den niedrigsten Schuldenstand und den zweithöchsten Vermögensbestand für künftige Versorgungs- und Beihilfelasten.
Aufgrund dieser Feststellungen gibt die Personalkommission 50 Handlungsempfehlen zur Personalpolitik, darunter sind:
- Erarbeitung eines integrierten Personalkonzepts
- Streichung der kw-Vermerke
- Aufstockung des Personalpools Demografie
- Wissenstransfer durch temporäre Stellendoppelbesetzung
- Stärkung der Schlüsselbereich Digitalisierung, Organisation, Personal
- Schwerpunkt der überkompensatorischen Einstellungen in den Bereichen, auf die in den letzten Jahren ein überobligatorischer Stellenabbau gefallen ist, also nicht: Schulen, Polizei, Hochschulen
Wir haben diesen Bericht im November angehört. Die Ansätze der Sachverständigen waren sehr unterschiedlich: während die Sachverständigen von den Rechnungshöfen und das Ifo-Institut kritisierten, dass keine belastbare aufgabenorientierte Personalbedarfsermittlung stattgefunden habe und die Handwerkskammer ihre Nachwuchssorgen formulierten, erläuterte die Präsidentin der Landesdirektion eindrücklich, welchen Stellenabbau ihre Behörde seit 2012 ausgesetzt war und was dies für die Aufgabenerledigung bedeutete: überlange Verfahrensdauer, große Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Fachpersonal, Probelem bei coronabedingten Sonderaufgaben. So beispielsweise müssen anstatt durchschnittlich 20 Anträge auf Entschädigung wegen angeordneter Quarantäne 200.000 Anträge bearbeitet werden.
Was schlussfolgern wir BÜNDNISGRÜNE aus diesem Bericht? Wir setzen uns seit dem Beschluss des Stellenabbaus von 2011/2012, also seit 10 Jahren, dafür ein, dass die damals ausgebrachten kw-Vermerke – mit der der Stellenabbau vollzogen werden sollte – aus den Haushaltsplänen gestrichen werden.
Dass der aktuelle Haushaltsentwurf nun endlich keine der kw-Vermerke mehr enthält, ist eine große Erleichterung für uns und ein riesen Erfolg für die Personalplanung des Freistaates. Nun ist es möglich, jede der in den nächsten 10 Jahren freiwerdende Stelle wieder zu besetzen.
Uns ist bewusst, dass dies mit Blick auf die rückläufige Zahl der Erwerbsfähigen in den nächsten Jahren und in Konkurrenz zur freien Wirtschaft nicht einfach wird, aber immerhin können wir den jungen Menschen, die sich jetzt in der Ausbildung befinden oder in den nächsten Jahren in eine Ausbildung treten, ein Angebot für eine Tätigkeit im Öffentlichen Dienst unterbreiten.
Wir begrüßen ausdrücklich den Ausbau des Demografiepools, der eine flexible Stellenbewirtschaftung ermöglicht und endlich das als machbar gestaltet, was sich viele Bedienstete wünschen: Dass Sie ihre Nachfolge gerade in komplexen Prozessen einarbeiten können, weil eine Stelle überlappend besetzt wird. Wir wissen alle von Beamten, die traurig waren, dass sie ihr Wissen nicht mehr weitergeben konnten, obwohl sie über langjährige Spezialkenntnisse verfügten, die man nicht mal eben so mit Stellenantritt hat. Das wird sich jetzt bessern und auch das ist ein großer Erfolg.
Und wir sehen im Haushalt auch erste Ansätze zur Stärkung von Bereichen der Landesverwaltung, die in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden, z.B. beim Stellenaufwuchs in der Landesdirektion.
Es ist endlich Bewegung in der Personalpolitik – und ich würde mal behaupten, das liegt auch daran, dass Bewegung in die Regierungskonstellation gekommen ist.
Nun geht es daran, die Empfehlungen der Personalkommission in weiteren Bereichen umzusetzen und ein integriertes Personalkonzept zu entwickeln, das künftig noch zielgenauer ermöglicht, kluge Köpfe für den öffentlichen Dienst zu gewinnen und fortzubilden. Denn eines zeigt uns die Pandemie gerade deutlich – dort wo der Staat kein Personal zur Erfüllung seiner Aufgaben hat, treten erhebliche Probleme auf – sie können auch dazu führen, dass eine Pandemie und ihre Folgen schlechter bewältigt werden können.
Wir alle sind an einem funktionierenden Öffentlichen Dienst gewöhnt, weil wir eine funktionierende Verwaltung als Selbstverständlichkeit wahrnehmen. Uns würde seine Leistungsfähigkeit immer erst dann auffallen, wenn sie nicht mehr da wäre – doch das wäre zu spät.
Und deshalb gilt zu Schluss: Es ist nicht damit getan jetzt ein paar Jahre gute Personalpolitik zu machen und dann wieder in das nächste Kapitel des Märchenbuchs vom schlanken Staat aufzuschlagen. Eine vernünftige, planbare und wertschätzende Personalpolitik braucht es auf Dauer.
Vielen Dank.
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