Datum: 29. September 2021

Petitionen – Hammecke: Petitionen sind ein Gradmesser für die Probleme unserer Gesellschaft

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zur Unterrichtung durch den Petitionsausschuss (Drs 7/7697)
36. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29.09.2021, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr 2020 war für die gesamte Gesellschaft ein sehr herausforderndes Jahr. Wir haben heute Morgen erst den Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pandemie gehört – auch anderthalb Jahre nach dem Auftreten des ersten Corona-Falls in Deutschland beeinflusst die Pandemie unser Handeln weiterhin.

Corona hatte ab März vergangenen Jahres unsere Gesellschaft fest im Griff. Es wurden notwendige und schwierige Abwägungen getroffen zwischen dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auf der einen und den weiteren Grundrechten auf der anderen Seite.

Und diese wurden sowohl in wirklich zahlreichen Ausschusssitzungen unter den Mitgliedern des Sozialausschusses, des Verfassungs-Rechts-Demokratie-Europa-Gleichstellungsausschusses und des Bildungsausschusses immer wieder diskutiert.

Aber eben auch nicht nur da: Corona war hier im hohen Haus in den regulären, aber auch in den gesondert einberufenen Plenarsitzungen natürlich immer wieder Thema zahlreicher öffentlicher Debatten.

Aber diese Debatten, die wurden nicht, die werden nicht nur in Plenarsälen diskutiert.

Dies ist und war ein gesamtgesellschaftlicher Diskussionsprozess, der zu Hause an den Küchentischen ebenso geführt wurde wie hier im Plenarsaal oder im vom Demokratieministerium einberufenen Forum-Corona, einem Bürger*innen-Rat, der über die Auswirkungen der Corona-Krise sprechen soll.

Und in diesem gesellschaftlichen Ausnahmezustand kam dem Petitionswesen auch eine ganz besondere Rolle zu. Denn für die notwendig zu treffenden Abwägungen war und ist es natürlich wichtig, möglichst genau zu analysieren, welche Maßnahmen wirken oder welche vielleicht auch ihr Ziel verfehlen.

Hier war das Petitionswesen ein sehr konstruktives Beispiel für bürgerschaftliches Engagement in den vergangenen Monaten.

Denn wenn staatliche Institutionen räumlich auf Distanz gehen müssen, ist es umso wichtiger, dass durch Petitionen ein direkter Draht in den Sächsischen Landtag hinein besteht, der laut Sächsischer Verfassung jedem Menschen zur Verfügung steht. Hier konnten Perspektiven und Interessen ebenso wie Probleme diskutiert werden.

Petitionen konnten hier wie ein Gradmesser für die Herausforderungen in der Gesellschaft fungieren.

Und deshalb überrascht es auch nicht, dass immerhin 97 von 592 Petitionen dem Thema Corona gewidmet waren. Es ging um Regelungen für Amateursportvereine oder die besondere Situation von Tierheimen, denen wir uns morgen ja auch noch in einem anderen Tagesordnungspunkt widmen werden.

Eine ganz praktische Herausforderung für die tatsächliche Arbeit des Ausschusses lag dabei natürlich in der Fluktuation der Maßnahmen, denen einfach das unglaublich dynamische Infektionsgeschehen zugrunde lag.

Konkrete Probleme mit Verordnungen waren allein aufgrund von längeren Bearbeitungsdauern von sechs bis neun Wochen durch die Ministerien nicht mehr aktuell zu beantworten, denn konkrete Verordnungen waren zum Zeitpunkt der Befassung im Ausschuss schon gar nicht mehr aktuell.

Hier stellt sich mir die Frage, ob das Petitionswesen, wie es jetzt funktioniert, immer der richtige Weg ist, oder ob es für zeitdringlichere Anliegen nicht andere Wege geben sollte, wie beispielsweise einem Bürgerbeauftragten.

Trotzdem war der Petitionsausschuss – in weiten Teilen zumindest – weiterhin von einer fraktionsübergreifenden Arbeit für das Anliegen der Petition geprägt.

Und natürlich gab es auch wie die Jahre zuvor unglaublich vielfältige Anliegen, die nichts mit Corona zu tun hatten, angefangen bei lokalen Herausforderungen hin zu großen Richtungsentscheidungen bundespolitischer Maßnahmen.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich an dieser Stelle all den Mitarbeitenden des Petitionsdienstes, allen voran Frau Hilscher danken. Für die gute Zusammenarbeit und das unermüdliche Arbeiten im Sinne der Petent*innen.

Dem Ausschuss möchte ich meine Wertschätzung aussprechen dafür, dass sich in der Sitzung über Kleinigkeiten, aber für die Petent*innen wichtige Kleinigkeiten unterhalten und gestritten wird.

Und diesen Dank möchte ich sehr gerne erweitern um die Ausschussvorsitzende Simone Lang. Die nicht nur einen sicherlich nicht immer einfachen Ausschuss und all dessen Mitglieder händelt, sondern die auch – wenn wir dann hier im Plenum den Bericht des Petitionsausschusses beschließen – jeden einzelnen Bericht unterschreibt und an die Petent*innen verschickt.

Denn die einzelnen Berichterstatter*innen, die 28 Mitglieder des Petitionsausschusses, die stehen nicht unter dem vom Landtagsplenum beschlossenen Bericht.

Das ist Simone Lang. Die Ausschussvorsitzende, diejenige, die Verantwortung übernimmt, die für alles, was wir hier gemeinsam beschließen, in der Öffentlichkeit sprichwörtlich den Kopf hinhalten muss. Liebe Simone, vielen Dank dafür.

Und deshalb möchte ich nachdenklich enden: Denn Petitionen sind – und auch dabei bleibe ich – ein Gradmesser dafür, wo Probleme in unserer Gesellschaft auftauchen. Sie zeigen im ganz Konkreten, wo im Strukturellen etwas schief gelaufen ist.

Der zunehmend bedrohliche Umgang von Petent*innen mit der Ausschussvorsitzenden hingegen ist etwas, was mich persönlich, was aber auch uns gesamtgesellschaftlich beschäftigen sollte.

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen freue ich mich persönlich darauf – gerade nach den gehörten Redebeiträgen – mit Ihnen über die Weiterentwicklung des Petitionsrechts zu sprechen.

Es gibt spannende Wege, andere Wege, die andere Bundesländer einschlagen, von denen wir lernen sollten. Dabei geht es zum Beispiel um Online-Mitzeichnungen, wie wir es von der Landeshauptstadt Dresden kennen, ebenso wie öffentliche Anhörungen, wenn eine bestimmte Anzahl an Unterschriften erreicht ist, wie man es bereits aus dem Bundestag kennt.

Diese Debatte freue ich mich zu führen, damit wir beim nächsten Bericht im Plenum dort vielleicht schon konkreter sprechen können.