Datum: 22. Juli 2021

Republik Belarus – Hammecke: Zivilgesellschaft verdient unsere volle Solidarität und Unterstützung

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Republik Belarus – Gewalt verurteilen, Zivilgesellschaft unterstützen“
35. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 22.07.2021, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,

die gefälschte Wahl in Belarus am 9. August 2020 liegt nunmehr fast ein Jahr zurück. Für die belarussische Opposition und Zivilgesellschaft war dieses Jahr sowohl zunächst von Hoffnung als auch von Gewalt und Repressalien durch den Machtapparat des Diktators Aleksander Lukaschenko geprägt.

Vergangenen Sommer noch waren die Städte in die rot-weißen Farben der Hundertausenden Demonstrierenden der demokratischen Oppositionsbewegung getaucht, während parallel die Gewalt und Inhaftierung von friedlichen Demonstrierenden genauso wie der Führungspersönlichkeiten der Opposition zunahm und in den Morden von friedlichen Protestierenden gipfelte.

Dass die Präsidentschaftswahlen des vergangenen Jahres allenfalls „Scheinwahlen“ waren, ist gesichert und allen bekannt. Auf die Festnahme von relevanten Gegenkandidat*innen im Vorhinein folgte die Wahlmanipulation selbst. Nachdem die disqualifizierten Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen wurden, waren es die Frauen, die die Opposition während und nach der Wahl repräsentierten – bis zu ihren Inhaftierungen beziehungsweise der Flucht ins Exil. Maria Kolesnikowa wurde festgenommen und sollte an der ukrainischen Grenze des Landes verwiesen werden – sie zerriss jedoch ihren Pass und machte so eine Ausreise unmöglich, um sich nicht dem Willen des Despoten zu beugen.

Es sind solche Geschichten, Geschichten der Entschlossenheit und Unerschrockenheit, welche uns allerorts aus Belarus erreichen, trotz der krassen Einschränkung der Pressefreiheit samt Inhaftierung, Mundtotmachen und Ausweisung von Journalist*innen. Und diese Entwicklung geht uns alle an!

Nicht zuletzt weil Belarus uns deutlich näher ist als vielleicht gedacht. Rom und Oslo sind weiter Weg von diesem Plenarsaal als Minsk!

Aber auch weil unweit östlich von hier das belarussische Regime samt eines Kampfjet des belarussischen Militärs zu Pfingsten die Landung des RyanAir Fluges 4978 auf dem Weg von Athen nach Vilnius erzwang. Mit dem Abfangen des innereuropäischen Fluges unter dem Einsatz militärischer Mittel im Mai 2021 greift die belarussische Regierung die Meinungs- und Reisefreiheit in der EU, und damit die Souveränität der Europäischen Union als Ganzes, direkt an.

Und all das, um dem im Exil lebende Blogger und Aktivisten Roman Protasevich und seine Lebensgefährtin Sofia Sapega dann festnehmen zu können.

Seither wurde Protasevich mehrfach in der Öffentlichkeit vorgeführt, gezeichnet von Wunden, die ihm während der Haft zugefügt wurden. Entgegen seiner gesamten politischen Arbeit wurde er anscheinend dazu gedrängt, öffentlich seine Haltung zu Lukaschenko zu ändern. Es ist schwer auszumalen, in welch auswegloser Lage er und alle weiteren politischen Gefangenen des gewalttätigen Regimes sich befinden.

Deshalb war es richtig und wichtig, dass die EU Staats- und Regierungschefs – endlich muss man sagen – sehr klare Worte gefunden hat und auch weitere Sanktionen beschlossen haben.

Denn – und das macht auch dieser Antrag sehr klar: Es braucht ein europäisches Sanktionsregime, das durch gezielte Maßnahmen gegenüber den politischen Verantwortungsträgern in Belarus auf politischer und wirtschaftlicher Ebene zur sofortigen Beendigung der Gewalt, Freilassung aller politischer Gefangenen und Unterstützung der belarussischen Opfer von Repression und Folter beiträgt.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen sich dazu verpflichten, geplante Kooperationen, auch und vor allem wirtschaftliche, auf die Vereinbarkeit mit den getroffenen Regularien hin zu überprüfen.

Und es braucht auch Solidarität im Miteinander: Sachsen und das zivilgesellschaftliche Belarus sind in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Projekte in Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung partnerschaftlich zusammengerückt. Hier gilt es, den Kontakt zu halten und zu verstärken.

Nun scheint Lukaschenko sich jedoch genau dafür rächen zu wollen. Seit Tagen mehren sich die Grenzübertritte von Menschen aus dem Irak und auch aus Kamerun, Mali und Gambia von Belarus nach Litauen. Und das, wo Belarus auf keiner bekannten Fluchtroute liegt und auch geografisch oder in sonstiger, diesbezüglich relevanter Weise wenig mit diesen Ländern zu tun hat. So absurd das auch klingt: Allem Anschein nach organisiert die belarussische Regierung Flüge aus Bagdad und via Istanbul nach Minsk, um die Menschen dann an die Grenze zu Litauen zu bringen.

Lukaschenko betätigt sich als Schleuser zur Erpressung der EU und nutzt das Leid von Menschen zur Durchsetzung seiner machtpolitischen Agenda, mittlerweile auch über seine Landesgrenzen hinaus!

Wir dürfen diesem unmenschlichen Vorgehen nicht durch Abfinden mit den Taten zur Normalisierung verhelfen.

Noch kurz zum Änderungsantrag der Linken:
Natürlich ist es unbestritten, dass schutzsuchende Menschen aus Belarus ein schnelles und faires Asylverfahren erhalten müssen. Und ich teile Ihre Sorge, dass die Verfahren unter Umständen sehr lange dauern. Auch die Aufhebungsquoten der Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durch die Verwaltungsgerichte zeigen, dass die Qualität der Entscheidungen an mancher Stelle zu wünschen übrig lässt.

Das Recht auf Asyl beziehungsweise internationalen Schutz erfordern tatbestandsmäßig eine individuelle Verfolgung beziehungsweise einen drohenden individuellen ernsthaften Schaden. Dies ist in einem Asylverfahren, in dem insbesondere die persönliche Anhörung des Schutzsuchenden eine große Rolle trägt, sorgfältig zu prüfen.

Neben dem individuellen Verfolgungsschicksal muss das BAMF aber auch verfügbare und aktuelle Erkenntnismittel über die allgemeine Lage im Herkunftsland für seine Entscheidung nutzen. Der hier von den Koalitionspartnerinnen eingebrachte Antrag unterstützt Ihr Anliegen, Geflüchteten aus Belarus internationalen Schutz zu gewähren. Er verurteilt die Menschenrechtsverletzungen in Belarus und verdeutlicht gleichzeitig, dass diese Menschenrechtsverletzungen als Tatsachen hier für den Sächsischen Landtag und die Sächsische Staatsregierung feststehen, dass sie nicht negiert oder kleingeredet werden dürfen.

Ich gehöre einer Generation an, die erfreulicherweise nur freie Wahlen erlebt hat und bin dankbar dafür, dass die Menschen in der DDR während der friedlichen Revolution erfolgreich dafür auf die Straße gegangen sind und protestiert haben. Und diese Dankbarkeit für ein freiheitliches politisches System sollen auch die Menschen in Minsk, Brest, Gomel und überall in Belarus haben können.

Dazwischen steht die Diktatur Lukaschenkos und sein gewalttätiges Vorgehen gegen die Opposition. Das Vorgehen mag kurzfristig eingeschüchtert haben, am Ende zeigt es aber vor allem eins: Dass er Angst hat vor denjenigen Bürger*innen und Bürgern, die sich nach einem demokratischen, freien Belarus sehnen.