Datum: 30. September 2021

Schuldenbremse – Schubert: Wir BÜNDNISGRÜNE wollen den Tilgungszeitraum anpassen – generationengerecht und mit Augenmaß

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Debatte zur Schuldenbremse versachlichen – Wissenschaftliches Gutachten zu den Folgen der aktuellen Verfassungsregelung schnellstens vorlegen!“ (Drs 7/7337)
37. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 30.09.2021, TOP 9

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir als BÜNDNISGRÜNE haben eine klare Haltung: Wir müssen etwas verändern an der Schuldenbremse – an ihrem Mechanismus und auch an der Tilgungsdauer.

Der aktuelle Mechanismus wirkt prozyklisch, was volkswirtschaftlich falsch ist. Wir brauchen eine antizyklische Wirkung, um rauszukommen aus Krisensituationen. Das hängt zusammen mit der Berechnung der sogenannten Normallage, die sich wiederum auswirkt auf die Haushaltsausgleichsrücklage, die wir mit dem jetzigen Wirkgefüge bis zu einer bestimmten Höhe auffüllen müssen – in Sachsen ist allerdings eine konjunkturelle Komponente nicht integriert.

Das sorgt dafür, dass wir nicht nur mit sechs Jahren effektiver Tilgungsdauer, die wir mit der jetzigen Regelung haben, pro Jahr mehr als eine Milliarde Euro bei Vollziehung des gesamten Kreditrahmens tilgen müssten; hinzu käme noch Auffüllbetrag der Haushaltsausgleichsrücklage. Wir sind dann bei roundabout 1,3-1,5 Milliarden Euro jährlich.

Es gibt die Idee, man könne es durch Sparen schaffen, diese Summe aus dem Haushalt rauszuschwitzen – da steht einem aber die Struktur des Haushalts entgegen. Denn: Nur ein kleiner Teil der Mittel sind tatsächlich freie Mittel. Der übergroße Teil ist durch Pflichtaufgaben und Rechtsbindungen bereits belegt.

Hinzu kommen die Kommunen, die 33,6 Prozent vom Haushaltsbudget erhalten. Sachsen steht da bundesweit an zweiter Stelle mit dem Anteil am Gesamtvolumen, vor uns liegt nur Brandenburg.

Die Frage ist also: Wo soll denn in der Größenordnung gespart werden? Bei den Personalausgaben kommt dann immer als erstes Argument. Aber der Großteil sind Lehrer:innen und Polizist:innen.

Strukturelle Konsolidierung ist notwendig, dafür stehen wir. Dazu gehört es auch, die Förderpolitik in Sachsen zu reformieren. Da sind wir dran. Außerdem wollen wir ernsthaft als BÜNDNISGRÜNE Einnahmepotenziale identifizieren.

In der Koalition führen wir die Debatte um die Schuldenbremse, eingebettet in das Thema Verfassungsänderung. Die sächsische Schuldenbremse hat einige Spezifika – sie ist die restriktivste in ganz Deutschland, bei zeitgleich geringster Pro-Kopf-Verschuldung. Darauf werden einige stolz sein; ich finde, das bringt uns in Schwierigkeiten, wenn wir da nicht anpassen.

Wir BÜNDNISGRÜNE wollen den Tilgungszeitraum anpassen – generationengerecht und mit Augenmaß. Solide Finanzpolitik heißt, nachhaltig zu denken: Ausgaben und Einnahmepotenziale betrachten, Prioritäten setzen, Gesellschaft im Blick haben. Investitionen müssen möglich bleiben, denn wenn wir nicht in Bildungsinfrastruktur, Klimaanpassung, Technologieförderung und soziales Gefüge investieren, dann sind das versteckte Schulden in der Zukunft. Selbst mit 20 Jahren Tilgungsdauer bleibt das Schuldenstandsniveau Sachsens gering

Renommierte Volkswirtschaftler wie Peter Bofinger, Prof. Lenk, Achim Truger oder Prof. Ragnitz bezeichnen die Regelungen der sächsischen Schuldenbremse als unsinnig und raten zur Reform.

Wir BÜNDNISGRÜNE sehen das auch so und wollen folgende Anpassungen:

1) Eine Begrenzung der Regelung auf grundgesetzlich notwendige Regelungen und eine nähere Ausgestaltung durch einfachgesetzliche Regelungen analog zum Bundesland Hessen. Zudem wollen wir die Tilgungsfrist einfachgesetzlich regeln, mit einem Tilgungsplan auf 20 bis 25 Jahre, was für uns BÜNDNISGRÜNE ein angemessener Zeitraum wäre. Und noch eine Anmerkung zur Kredithöhe: Die kennen wir noch gar nicht – wir wissen eigentlich erst Ende 2022, was wir tatsächlich am Kreditmarkt haben aufnehmen müssen. Dazwischen liegen noch drei Steuerschätzungen. Bei der Tilgungsdauer können wir uns auch an anderen Bundesländern orientieren. Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Bayern haben 20 bis 30 Jahre; Baden-Württemberg und Niedersachsen 25 Jahre; Brandenburg, Bremen, Hessen und Schleswig-Holstein liegen bei 30 Jahren.

2) Außerdem wollen wir die Möglichkeit konjunkturbedingter Kreditaufnahmen flexibler gestalten und eine Konjunkturkomponente einbauen, die transparentere Buchungen zulässt (Konjunkturausgleichskonto und Kontrollkonto) und den Umgang mit Haushaltsüberschüssen, aber auch -unterdeckungen klug regelt. Das würden Anpassungen an Bundesschuldenbremse bedeuten, die gut wären.

Der Antrag der LINKEN greift zu kurz, insbesondere bei der Forderung nach einem Gutachten: Es gibt verschiedene wissenschaftliche Perspektiven auf das Thema – und es gibt bereits mehrere Gutachten, die einzelne Fraktionen, aber auch das Finanzministerium selbst haben erstellen lassen. Das entlässt aber nicht aus der Verantwortung, sich aus verschiedenen wissenschaftlichen Empfehlungen dann selbst eine politische Meinung zu bilden. Die Kernforderung des Antrages ist daher zu kurz gedacht und wir lehnen ihn ab.

Vielen Dank.