Datum: 31. Januar 2024

Selbstbestimmung von Schwangeren – Hammecke: Wir brauchen eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: „Gesetz zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes von Schwangeren im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/13495)

82. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 31.01.2024, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete,
ich möchte mit etwas sehr Grundsätzlichem beginnen, wenn wir heute zu diesem Gesetzentwurf sprechen. Wenn wir über reproduktive Rechte und Gerechtigkeit sprechen, dann sprechen wir über selbstbestimmte Sexualität, eine selbstbestimmte Schwangerschaft, eine selbstbestimmte Geburt – wir sprechen von selbstbestimmter Kinderplanung – aber eben auch der Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden.

Und deshalb direkt etwas sehr Grundsätzliches hinterher – und dafür möchte ich Liane Wörner, Rechtsprofessorin an der Uni Konstanz, sowie Koordinatorin der Kommission für reproduktive Rechte zitieren: „Eine ungewollt Schwangere wird aber die Schwangerschaft nicht austragen, wenn sie das Kind nicht will, gleich ob der Abbruch legal oder illegal ist.“

Denn kein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen verhindert diese. Es macht sie nur gefährlicher. Die sich verschlechternde Versorgungslage in Deutschland ist immer wieder Gegenstand von Debatten, deshalb möchte ich den Gegenstand des Gesetzesentwurf explizit begrüßen und mich bei der einreichenden Fraktion bedanken. Für die strukturellen Veränderungen jedoch braucht es Bewegung auf der Bundesebene.

Und die hat auch begonnen, die Abschaffung des §219a, der Ärzt*innen kriminalisierte, die Informationen teilten, war ein wichtiger Schritt, der nur aufgrund des kontinuierlichen Drucks aus der Zivilgesellschaft und aus der Ärzteschaft möglich war.

Auch die jetzt angekündigte Gesetzesänderung zur Unterbindung von Gehsteigbelästigungen ist ein nächster Schritt, ebenso wie die verankerten Änderungen zur Bundesstatistik zu Schwangerschaftsabbrüchen, die zukünftig einen genaueren Überblick über die Versorgungssituation in den Ländern ermöglichen soll, in dem nun auch die regionale Verteilung nun erfasst wird.

Denn auch in Sachsen – dies wurde in der Sachverständigenanhörung klar – werden Ärzt*innen angefeindet! ANGEFEINDET, weil sie ihren – und das möchte ich sehr klar sagen – medizinischen Versorgungsauftrag erfüllen. Die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch löst eine gesellschaftliche Stigmatisierung und Tabuisierung aus, die weitreichende Folgen hat.

In einem Fachgespräch mit Medizinstudierenden und Trägern von Beratungsstellen schilderte eine Studierende, dass die Lehre zu Schwangerschaftsabbrüchen in ihrem Studium aus zwei PowerPoint-Folien bestand. Auf denen die Paragrafen §218 StGB und §219a StGB abgebildet waren.

Aber – auch hier Bewegung. Die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ wurde seitens der Bundesregierung im März 2023 eingesetzt. Bestehend aus Expert*innen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, widmet sie sich in einer Arbeitsgruppe der Frage der Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des
Strafgesetzbuches.

Hier in Sachsen befinden wir uns in einer Koalition mit teilweise sehr unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Themenbereich. Aber – Konsens gibt es dort, wo wir den Informationsstand für Schwangere verbessern können.

Das Sozialministerium hat seine Webpräsenz deutlich überarbeitet, bietet nun ausführlichere Informationen über Beratungsstellen inklusive der Information, welche Beratungsstellen auch Beratungsbescheinigungen ausstellen dürfen. Dies ist in einer zeitkritischen Situation, wie es die Schwangerschaftskonfliktsituation darstellt, zentral – und ich möchte dem Sozialministerium danken für die Aufnahme dieser angeregten Neuerung.

Und ebenfalls gibt es weitgehend Einigkeit in der Koalition, wenn es um die Notwendigkeit von Beratungsstellen geht. Denn, auch wenn wir BÜNDNISGRÜNE einer Pflichtberatung kritisch gegenüberstehen, so ist für uns klar, dass auch bei jeglichen Reformen auf Bundesebene der Erhalt
der Vielfalt sowie der Dichte der Trägerlandschaft der Beratungsstellen ein zentrales Anliegen ist.

Denn diese bieten Schwangeren in Konfliktsituationen Beratung – ganz unabhängig davon, wie sie sich entscheiden. Und deren Aufgaben gehen auch weit über die Konfliktberatung hinaus. Eine Sachverständige in der Anhörung hat dazu deutlich gemacht, dass die Konfliktberatungen je nach Region und Trägerpluralität nur zwischen 25 und 45 Prozent ausmachen.

Deshalb – und dazu möchte ich diese Debatte auch sehr gerne nutzen, darauf aufmerksam zu machen, dass die finanzielle Situation der Beratungsstellen, trotz der im letzten Doppelhaushalt erhöhten Mittel, weiterhin schwierig ist, und dass die nächsten Verhandlungen zum Doppelhaushalt dringend dafür genutzt werden müssen, hier noch einmal finanziell nachzusteuern.

Dabei geht es um die Personalkosten, dabei geht es um Förderhöhen für Dolmetscherstunden, dabei geht es um Technik, Hard- und Software.

Bezüglich der Angebotsdichte von ambulanten und stationären Einrichtungen, die tatsächlich Schwangerschaftsabbrüche anbieten, bleibt leider auch der Gesetzesentwurf im §8 (2) im Vagen und sehr unbestimmt – und wiederholt eigentlich die Verpflichtung, die sich jetzt bereits im §13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, also im Bundesgesetz finden – weshalb ich zumindest Zweifel anmelden möchte, ob die Formulierung tatsächlich die tatsächlich gewollte und benötigte Änderung erreichen.

Die konkret benannten Maßnahmen hingegen, die in der Gesetzesbegründung genannt werden, sind meiner Meinung nach aber auf jeden Fall diskussionswürdig – für die Umsetzung braucht es aber unserer Auffassung nach den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht.

Wir als BÜNDNISGRÜNE teilen das Anliegen, dass die Situation sowie die Infrastruktur von Beratungsstellen verbessert werden muss, gerade auch in den ländlichen Regionen. Wir brauchen eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung, sodass die teilweise
hohen Hürden, die von Schwangeren in einer Konfliktsituation überwunden werden müssen, minimiert werden.

Wir denken, die großen Stellschrauben dafür, die werden auf Bundesebene gedreht. Ich bin gespannt, was die Kommission im April vorlegen wird.

Wir werden den Gesetzesentwurf ablehnen.