Sozialunternehmer*innen – Liebscher: Wir wollen Sachsen zum vitalen Standort für Sozialunternehmertum ausbauen
Redebeitrag des Abgeordneten Gerhard Liebscher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD: „Leistung von Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmern für den Freistaat sichtbar machen, anerkennen und strukturell unterstützen“ (Drs 7/9873)
51. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 01.06.2022, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
es gibt keine Magie. Außer die Magie des eigenen Wirkens.
Das ist kein Zitat, das sage ich Ihnen aus Erfahrung. Und diese Magie ist es, die wir jetzt brauchen:
Wir stecken inmitten der Klimakrise, erleben einschneidende Jahre der Pandemie, die soziale Schere ist – lokal wie global – weit gespreizt. Die Herausforderungen sind von zeitlicher wie auch geografischer Tragweite, wie sie die Menschheit noch nicht kennt.
Und überall in der Gesellschaft wächst Gestaltungswille, werden täglich Lösungsansätze erdacht und erprobt, streben Menschen nach sinnvollen Betätigungsfeldern.
Mit vorliegendem Antrag öffnen wir den Blick für das Wirken dieser Menschen. Unser Antrag widmet sich der Leistung von Sozialen Innovationen in Sachsen und darunter insbesondere der Arbeit von Sozialunternehmerinnen und -unternehmern.
Wir wollen in Sachsen den Boden für soziale Innovationen bereiten.
Die sächsische Innovationspolitik glänzt heute vorrangig durch technologische Neuerungen. Gleichwohl: Das Potential sozialer Innovation, die das gesellschaftliche Wirken in den Mittelpunkt rückt, ist enorm: Sichtbar geworden ist dies gerade in der Pandemie. So vernetzten sich tausende von zivilgesellschaftlichen Initiativen digital im #WirvsVirus Hackathon der Bundesregierung und entwickelten handfeste Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Da wurden landwirtschaftliche Betriebe und Erntehelfer*innen vernetzt, Plattformen gegründet, um die Verteilung von gespendeten medizinischen Artikeln zu organisieren oder um Menschen in der Kurzarbeit zu begleiten.
Soziale Innovationen werden nach Sicht der BÜNDNISGRÜNEN eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der großen Zukunftsfragen einnehmen. Wir wollen sie darin unterstützen. Erste Schritte zur Aktivierung sozialer Innovation in Sachsen sind bereits getan:
2021 führte das Sozialministerium eine dreiteilige Veranstaltungsreihe „Sozial, Innovativ, Sächsisch“ durch. Eine Zukunftsplattform soll in der Folge soziale Innovationen zusammenführen.
Wir wollen mit dieser Antragsinitiative die bereits erfolgten Schritte im Bereich der Sozialen Innovationen evaluieren und weiterführen.
Werte Damen und Herren,
im Antrag betrachten wir im nächsten Schritt die unternehmerische Seite sozialer Innovation.
Wir wollen Sachsen zum vitalen Standort für Sozialunternehmertum ausbauen.
Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer, auch Social Entrepreneurs genannt, lösen gesellschaftliche Probleme mit unternehmerischen Mitteln. Sie stellen die Umsetzung gemeinwohlorientierter Ziele in das Zentrum ihres Handelns. Wirtschaften wird an das Ziel der Nutzenmaximierung gebunden.
Die Bandbreite ist so bunt wie die Herausforderungen, die man hier lösen kann: Das reicht vom lokalen Leihladen für hochwertige Kinderkleidung über Unternehmen, die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte anbieten, bis hin zu Finanzinstituten, deren Gewinne ausschließlich sozial-ökologisch reinvestiert werden. Die Branche ist dabei zweitrangig, was zählt, ist die Wirkung.
Viele Social Entrepreneurs in Sachsen sind bereits Teil eines lebendigen Netzwerks regionaler Akteure.
Soziale Gründerinnen und Gründer finden Unterstützung bei Hochschulgründungszentren oder Co-Working-Angeboten in allen Regionen des Landes. Auch das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland hat einen engagierten Ableger in unserem Freistaat.
Diese Netzwerke fungieren als Kommunikatoren und tragen zum Wissenstransfer bei. Denn obwohl die globale Bewegung der Social Entreprises nicht mehr als neu bezeichnet werden kann, sind in der Bundesrepublik noch viele Fragen offen: Eine offizielle deutschsprachige Definition für Social Enterprises steht noch aus. Auch der rechtliche und der steuerliche Rahmen für Sozialunternehmen sind in Deutschland, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, noch nicht ausgereift.
Entsprechend stehen Social StartUps häufig der Frage der Einstiegs-Finanzierung gegenüber. Als Unternehmensform erzielen sie keine klassisch messbare Profitsteigerung, ebenso wenig bauen sie ihr Geschäftsmodell, wie traditionelle Wohltätigkeitsorganisationen, auf Spenden.
Eine weitere Besonderheit ist die Ausgestaltung der Wirkungsmessung, die sich an den Sustainable Development Goals orientiert.
Wir erzielen mit dem Antrag ein Monitoring von Social Entreprises in Sachsen: Eine Base-Line Erhebung, um das Potenzial zu kennen und zu heben, was sachsenweit besteht. Wir wollen wissen: Welche Social Entrepreneurs agieren hier bereits, in welchem Selbstverständnis? Welche unterstützenden Strukturen finden sie hier vor? Welchen juristischen und finanziellen Hürden begegnen sie? Das wird, unserem Antrag folgend, im Zentrum des nächsten Mittelstandsberichts 2024 stehen.
In der Folge dieser Erkenntnisse soll eine Strategie zur Unterstützung von Social Entreprises erarbeitet werden.
Schlussendlich muss, unserem Antrag folgend, auch die Wirtschaftsförderung des Freistaats fachlich weiterentwickelt werden. Sozialunternehmerinnen und -unternehmer mit Gemeinnützigkeitsstatus sollen gleichberechtigt Zugang zur sächsischen Wirtschaftsförderungen erhalten.
Um auf den Pfad zur Treibhausgasneutralität und zur globalen Gerechtigkeit einzuschlagen, können wir wirtschaftspolitisch nicht auf ausgetrampelten Wegen wandeln. Wir müssen vielmehr einer neuen Generation von Gründerinnen und Gründern Raum geben, sich zu entfalten und neue Lösungen zu beschreiten.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
wir haben gehört: Das Engagement ist auf vielen Seiten groß. Bundes- wie auch Landesregierungen sind auf dem Weg, die Rahmenbedingungen für Sozialunternehmerinnen und -Unternehmer zu konkretisieren.
In unseren Nachbarländern sind bereits konkrete Unterstützungsnetzwerke und auch Förderangebote entwickelt worden. Ein Blick über den Tellerrand lohnt auch in diesem Fall: Brandenburg betrachtet zum Beispiel, insbesondere bei der Gestaltung des Strukturwandels, die Rolle von Sozialunternehmer*innen. Sachsen-Anhalt hat bereits ein Kompetenzzentrum Soziale Innovation eingerichtet. Auch in Sachsen sind wir auf diesem Weg, und das ist wichtig.
Die Transformation auch unserer Wirtschaft hin zum nachhaltigen Unternehmen wird nicht nur aufgrund der ökologischen Grenzen des Planeten notwendig. Sie wird auch durch Wettbewerbsdruck und die Kraft des nachhaltigen Finanzwesens angetrieben. Als BÜNDNISGRÜNE begrüßen wir diesen notwendigen Wandel.
Wir BÜNDNISGRÜNE sehen, dass die agilen Social Start Ups auch traditionellen Unternehmen auf diesem Weg Vorbild und Partner sein können.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Unterstützung und freue mich auf den weiteren Weg und Austausch mit Ihnen.