Strukturwandel – Kummer: Beteiligung der Menschen in den Regionen ist wichtiger Baustein
Redebeitrag der Abgeordneten Ines Kummer (BÜNDNISGRÜNE) zur Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE „’Blühende Landschaften 2.0′ verhindern: Strukturwandel-Gelder nicht länger nach Gutsherren-Art verteilen, sondern demokratisch, transparent & sozial – mehr Mitbestimmung wagen!“
32. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 23.06.2021, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
gerade jetzt stehen viele Ackerränder in voller Blüte, auf manchem Biobauernhof wogt zwischen Weizen oder Gerste auch Rittersporn und Mohn im Feld. Und da frage ich mich: Was kann man nur gegen blühende Landschaften haben?
Aber darum geht es in dieser Aktuellen Debatte natürlich nicht. Die Linksfraktion malt mit dem Titel der Debatte in gewagten sprachlichen Bildern ein düsteres Panorama – die Staatsregierung handele nicht demokratisch, nicht transparent und nicht sozial. Aber ist das wirklich so?
Der Strukturwandelprozess wurde und wird sowohl durch den Bundestag als auch durch den Sächsischen Landtag begleitet. Dabei ist es kein Geheimnis, dass wir BÜNDNISGRÜNE genauso wie die LINKE, gerade auch auf Bundesebene, andere Schwerpunkte und vor allem weiterreichendere Ziele gesetzt hätten.
Das Verfahren zur Förderung von Strukturwandelprojekten ist neu, komplex, und alles andere als einfach. Und es gibt noch viele Fragezeichen – nicht nur, aber vor allem bei den Menschen in den Revieren.
Die eigentlichen Projekte sollen vor Ort in den Kommunen entwickelt werden. Und dafür gibt es ja auch schon gute Beispiele, wie in der Gemeinde Krauschwitz. Da gibt es ein Konzept mit einem klaren Fokus auf Bürgerbeteiligung, Energiewende und Standortentwicklung durch Ausbildung und Nutzung der Chancen, die die Digitalisierung und der damit einhergehende Fachkräftebedarf mitbringen.
Damit der Strukturwandel auch sozial ausgestaltet wird, ist es wichtig, dass auch Arbeit jenseits der hochbezahlten Jobs in der Energiebranche gut entlohnt werden. Es wird nicht möglich sein, innerhalb kürzester Zeit das Äquivalent an Industriearbeitsplätzen „von oben“ zu erzeugen. Wer nur darauf pocht, wird nicht erfolgreich sein können.
Die sächsischen Regionen, nicht nur in den Revieren, lebenswert zu gestalten, macht sie für Unternehmen und Fachkräfte attraktiv. Das kommt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aller Branchen zugute und erhält Kaufkraft in den Regionen. Der Lausitzmonitor hat gezeigt, dass es ein ganz wichtiger Baustein ist, junge Frauen in den Regionen zu halten oder Menschen
zur Rückkehr in die Regionen zu bewegen. Ja, dafür braucht es sicher mehr als überdimensionierte Straßen. Um nochmal auf die gewagten Sprachbilder zu kommen: Hier war von Gutsherren-Art die Rede. Ich finde das falsch. Der Gutsherr sieht nur auf sein eigenes Fleckchen Erde. Im Strukturwandel haben wir aber ganze Regionen im Blick.
Und damit sind wir bei der Mitbestimmung. Die Regionalen Begleitausschüsse, über deren Zusammensetzung heftig und auch kontrovers diskutiert wurde, werden in Kürze das erste Mal zur Beratung zusammen kommen. Sie sind ein wichtiger und notwendiger Beteiligungsbaustein. Doch es braucht mehr. Wenn es nicht gelingt, die Menschen im Strukturwandel mitzunehmen und ihnen Mitsprache einzuräumen, dann vernachlässigt man einen entscheidenden Aspekt, der für den Erfolg wichtig ist: Der wirtschaftliche Strukturwandel ist eingebettet in einen gesellschaftlichen – und deshalb brauchen wir die Menschen.
Ich habe bei Besuchen im Lausitzer Revier, aber auch bei verschiedensten Veranstaltungen Menschen kennen gelernt, die mit Kreativität und Engagement den Wandel ihrer Region mitgestalten wollen. Beteiligung braucht Ressourcen. Sie muss im respektvollem Umgang transparent und auf Augenhöhe zwischen Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft
passieren. Da ist noch Luft nach oben.
Fazit: Nichts ist perfekt und wir werden uns als BÜNDNISGRÜNE, aber auch gemeinsam als Koalition immer für Verbesserungen einsetzen, damit Regierungshandeln als demokratisch, transparent und sozial empfunden wird.
Dafür tragen wir hier im Parlament genauso Verantwortung wie alle, die für unser Gemeinwesen arbeiten – sei es im Ministerium, in der Gemeindeverwaltung oder ehrenamtlich in Vereinen, Initiativen und Parteien. Das sollten wir bei aller notwendiger Kritik hochhalten und nicht verunglimpfen durch reißerische Übertreibungen.
Die Strukturwandelgelder fließen als Investitionsförderung vor allem in Infrastruktur, dies ist vom Bund so vorgegeben. Als BÜNDNISGRÜNE sehen wir das teilweise kritisch, denn wenn mit den Kohlemilliarden vorrangig Straßenbau und Flächenversiegelung betrieben wird, sind die hinter dem Kohleausstieg liegenden Klimaschutzziele ad absurdum geführt. Wir setzen uns daher vor allem für den Ausbau der Schienennetze oder Stärkung von Forschung und Entwicklung ein. Wir brauchen Investitionen in kluge Köpfe und zukunftsfähige Infrastruktur.
Wir haben uns in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier gemeinsam auf den Weg gemacht. Und ich glaube, dass es normal ist, wenn in einem neuen Prozess nicht von Anfang an alles glatt läuft. Einige Weichen sind zwar bereits gestellt, aber mit einer Fortschreibung der Förderrichtlinie können aufgetretene Probleme auch korrigiert werden. Und wir BÜNDNISGRÜNE werden die Entwicklungen konstruktiv begleiten. Dazu bin ich genauso wie meine Fraktionskolleginnen und -kollegen mit offenen Augen und Ohren im Freistaat unterwegs. Aber zunächst muss das ganze Verfahren überhaupt richtig zum Laufen kommen. Dazu tagen in
der kommenden Woche das erste Mal die Regionalen Begleitausschüsse, ich hatte es bereits erwähnt.
Wenn man den Strukturwandelprozess bis zur Marke 2038 mit einem Marathon vergleichen würde, sind wir bei Kilometer 2 von knapp 42. Ein Anfang ist gemacht, aber es liegt noch sehr viel Wegstrecke vor uns.