Datum: 15. Juli 2020

Unterstützung für Kommunen – Liebscher: Wir wollen, dass unsere sächsischen Kommunen eigenständig und verantwortlich agieren können

Redebeitrag des Abgeordneten Gerhard Liebscher (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Beratung des Entwurfs "Gesetz zur Unterstützung der Kommunen des Freistaates Sachsen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie" (Gesetzentwurf der Staatsregierung, Drsa 7/2513)
12. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 15.07.2020, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Auswirkungen der Pandemie auf die finanzielle Situation von Bund, Ländern und Kommunen sind immens. Unsere Kommunen haben uns als Land gebeten, sie bei ihren wichtigen Aufgaben vor Ort zu unterstützen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung will hierfür einen Rahmen schaffen.
Die Zuweisungen des Landes an die Kommunen orientieren sich in der Regel an der aktuellen Steuerschätzung. Die Steuerschätzung vom Mai 2020 hat einen erheblichen Rückgang der Einnahmen prognostiziert. Dieser Einbruch hat auch Auswirkungen auf die Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Trotzdem wird das Land in 2020 den Betrag basierend auf der Steuerschätzung vom Oktober 2019 überweisen. Das sind 461 Millionen Euro für 2020. Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf ergeben sich damit Liquiditätshilfe von circa 860 Millionen Euro für die Kommunen.
Nach der Mai-Steuerschätzung 2020 müssen Land und Kommunen in diesem Jahr mit einem Einbruch der Steuereinnahmen von rund 2,6 Milliarden Euro rechnen. Vor allem die Einnahmen auf Landesebene fallen deutlich niedriger aus als bislang angenommen – der Prognose folgend um etwas über 2,0 Milliarden Euro.
In der Hoffnung, dass alle mitziehen, dass keine zweite Welle zu großräumigen Schließungen führt und dass die Wachstumsprognosen für die Wirtschaft zutreffend sind, haben wir entschieden, dass das Land Milliarden an Schulden aufnimmt und die aktuelle Situation finanziell stabilisiert.
Wir wissen um die Situation und die Aufgaben unserer Kommunen. Und wir danken allen Mitarbeitenden vor Ort, die mit ihrem Einsatz sicherstellen, dass wir ruhig und geordnet durch die Pandemie kommen. Auch wenn das Hier und Jetzt uns alle außerordentlich fordert, dürfen wir die Verantwortung für die folgende Zeit nicht ausblenden.

Wir haben heute eine Gesellschaft in diesem Land, die schon in ganz jungen Jahren ausgesprochen politisch ist und sich einbringt. Wir BÜNDNISGRÜNEN sind gemeinwohlorientiert und uns ist Generationsgerechtigkeit wichtig. Wir wollen nicht einen Teil der Gesellschaft benachteiligen.
Wir wollen, dass unsere sächsischen Kommunen eigenständig und verantwortlich agieren können. Zwischen Verschuldung und Kaputtsparen braucht es Ideen. Dafür müssen die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen angemessen und bedarfsorientiert ausgerichtet sein. Trotz Krise gehören die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen auf den Prüfstand.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns zu starken, verantwortungsvollen Kommunen bekannt. Wir wollen eine Kultur des Vertrauens zwischen Land, Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern. Unser aller Ziel sind gleichwertige und zukunftsfähige sächsische Regionen.

Bereits mit dem weitreichenden Erlass des Innenministeriums wurden den Kommunen umfassende Erleichterungen für die Aufstellung ihrer Haushalte eingeräumt:

  • So entfällt die Genehmigungspflicht, wenn der Höchstbetrag der Kassenkredite überschritten wird.
  • Notwendige Kosten für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind »unabweisbare Aufwendungen und Auszahlungen« und können gezahlt werden, auch wenn dadurch ein erheblicher Fehlbetrag entsteht. Für die Finanzierung dürfen Kredite aufgenommen werden.
  • Die Pflicht zur Aufstellung einer Nachtragssatzung entfällt.
  • Der Finanzhaushalt kann durch Kreditaufnahmen bzw. Kontokorrentverbindlichkeiten ausgeglichen werden.
  • Infolge der Erleichterungen im Haushaltsausgleich entfällt faktisch die Pflicht zum Verhängen haushaltswirtschaftlicher Sperren.

Ich hoffe sehr, dass allen klar ist, dass wir in einem Boot sitzen und dass mit dem entgegengebrachten Vertrauen verantwortungsvoll umgegangen wird.
Die Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf hat nochmals deutlich gemacht, dass wir als Landtag und Gesetzgeber achtsam bei unseren Entscheidungen sein müssen. Einige Hinweise zur Datenlage und zur Reichweite von gesetzlichen Regelungen sollten wir aufgreifen und hier diskutieren. Von uns wird erwartet, dass wir einen funktionierenden Rahmen schaffen, in dem die praktische Arbeit vor Ort gut umgesetzt werden kann.
Wir BÜNDNISGRÜNE wollen, dass ländliche und städtische Räume ihre Aufgaben zukunftsfest, gemeinwohlorientiert und sozial gerecht erfüllen können. Auf die unterschiedlichen Entwicklungen im Land brauchen wir neue Antworten. Wachsende und schrumpfende Räume haben unterschiedliche Bedarfe. Diese erkennen wir an und werden dafür die aktuelle Datenlage zu kommunalen Haushalten verbessern.

Ich hoffe sehr, dass die hier und heute getroffenen Zusagen Anlass genug sind, damit keine weiteren kommunalen Haushaltssperren verhängt und die bereits erfolgten überdacht werden. Im September wird die nächste Prognose des Bundesarbeitskreises Steuerschätzung vorliegen. Dann werden wir hoffentlich wieder mehr wissen und uns gegebenenfalls nochmal mit dem Thema befassen.
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