Datum: 03. Mai 2024

Untersuchungsausschuss Landtagswahl – Lippmann: AfD wollte Einfluss nehmen, um ihre Unfähigkeit zu kaschieren

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Bericht des 1. Untersuchungsausschusses der 7. Wahlperiode (Drs 7/16230)

88. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag 03.05.2024, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

zu Beginn der Legislaturperiode weihte die AfD uns in eine große Verschwörungserzählung ein.

„Angeblich hätte die halbe Staatsregierung im Hinterzimmer zusammengesessen und sich überlegt, wie man der AfD denn besonders schaden könne. Nur so sei zu erklären, warum man es selbst nicht geschafft habe, einfachste Wahlvorschriften einzuhalten. Und damit nicht genug – nicht nur in der sächsischen Regierung habe man intrigiert. Und nach Angaben der AfD sollten Verschwörer im fernen Berlin die Strippen gezogen haben.“

Viereinhalb Jahre später darf ich Ihnen kurz einmal meine Erkenntnisse zu dieser grotesken Hypothese eingesetzten Untersuchungsausschuss darlegen:

  1. An der teilweisen Nichtzulassung der Landesliste der AfD war genau eine einzige Kraft schuld: Die AfD selbst. Wer das Wahlrecht für Raketenphysik hält und selbst einfachste Vorschriften nicht in der Lage ist einzuhalten, sollte seine Zeit nicht in nutzlose Zeugenbefragungen investieren, sondern besser in die Lektüre einschlägiger Wahlrechtskommentare. Das sich da immer noch nichts gebessert hat, zeigt ja „Rolf-Ich-habe-die-Unterschrift-vergessen-Weigand“.
  2. Der mutmaßliche Emissär aus Berlin hat sich uns nicht vorgestellt und leider haben wir auch niemand gefunden, der ihn gesehen hat. Nun, werte Kollegen von der AfD, vielleicht sollten Sie beim nächsten Mal überlegen, ob wir zehntausende Euro für einen Untersuchungsausschuss aufwenden müssen, damit wir etwas finden, das bloß in Ihrem Kopf existiert. Dafür gibt es kostengünstigere Therapieangebot als Untersuchungsausschüsse.
  3. Eine Einflussnahme zu Ungunsten der AfD durch die Staatsregierung oder Politiker konnte nicht festgestellt werden. Was wir aber reihenweise feststellen konnten, waren Versuche der AfD, zu ihren Gunsten die Wahlleitung zu beeinflussen. Herr Dr. Keiler instruierte umfassend ein Mitglied des Landeswahlausschusses, Herr Teichmann versuchte den zuständigen Referatsleiter mit der Androhung unbilligen Übels unter Druck zu setzen und Herr Urban versuchte es am Ende noch mit einer der Nötigung nahen Strafanzeige gegen Wahlleitung und Wahlausschuss zu richten. Sie von der AfD wollten Einfluss nehmen, um Ihre Unfähigkeit zu kaschieren. Sie sind nicht die Opfer, Sie sind die Täter! Das ist die eigentliche Erkenntnis dieses Untersuchungsausschusses!

Sehr geehrte Damen und Herren,
die einzige Verschwörung, die wir in diesem Untersuchungsausschuss aufdecken konnten, war eine Verschwörung gegen die Intelligenz!

Denn jede Sitzung und jede Zeugenvernehmung war der Beweis, dass die AfD zur Aufklärung der angeblich größten Verschwörung seit Menschengedenken das letzte Aufgebot entsandt hatte.

Während man in der Öffentlichkeit permanent den Eindruck vermitteln wollte, man gäbe in jeder Sitzung rhetorisch versiert und feinster Klinge fechtend ein Ebenbild Ciceros und würde alsbald Catilina persönlich die Hand legen, scheiterte man in der stumpfen Realität dermaßen an der eigenen geistigen wie verbalen Limitierung, dass jedwede Aufklärung am untauglichen Versuch der Formulierung einer präzisen Frage scheiterte.

Sinngemäße Zeugenbefragungen, in denen der selbst ernannte Oberankläger Norbert Otto Mayer den Zeugen fragt, was ein Leervorgang sei, er als Antwort bekommt, dieser sei leer, also nicht befüllt und sodann messerscharf nachfragt, was denn in einem Leervorgang so drin sei, sind zwar an Komik kaum zu überbietende Dauerbetätigung der AfD im Untersuchungsausschuss, dürfen aber real selbst für drollige Drehbücher von Barbara Salesch zu doof sein – für AfD-TV reicht es aber offenbar.

Grotesk wird es daher schlussendlich vor allem mit Blick auf die Schlussfolgerungen der AfD zu diesem Untersuchungsausschuss. Es bleibt nämlich nichts als Geraune.

  1. Es bleibt ein angeblich verwirrender Sachvortrag als Ursache der Zurückweisung durch den Wahlausschuss. Mir ist klar, dass für die AfD Fakten verwirrend sind, aber das begründet noch keine Verschwörung und lässt nur einen Schluss zu: Lassen Sie uns mehr mit Fakten argumentieren, das überfordert die AfD.
  2. Man beschwert sich über die angebliche Einbindung des Staatsministeriums des Innern durch die Landeswahlbehörde, nachdem man sich im Untersuchungsausschuss eigentlich stets darüber beschwerte, dass niemand die Landeswahlleitung gestoppt hätte. Das ist insoweit spannend, da sich im Innenministerium sogar ein Beamter fand, der den Standpunkt der Wahlleitung hinterfragte. Aber weil das nicht in die Verschwörungserzählung passt, sieht die AfD sich jetzt gezwungen, zu kritisieren, dass ihr jemand helfen wollte, weil es sonst nicht passt. Das nenne ich mal parlamentarischen Masochismus.
  3. Ein ganz besonderes Schmankerl schmerzhafter Selbstkasteiung oder schlicht ein Schuss ins Knie stellt sodann ihre Feststellung dar, dass Mitglieder von Wahlausschüssen die einschlägigen Rechtsgrundlagen ihres Tuns kennen sollten. So richtig, so absonderlich ausgerechnet aus den Reihen der AfD. Denn es war ja kürzlich der Kollege Zickler, der trotz dessen, dass er Kandidat war, im Gemeindewahlausschuss der Stadt Dresden saß – klar rechtswidrig, was ihn wenig beeindruckte. Aber offenkundig war der Satz im Berufungsschreiben an Herrn Zickler „Vorsorglich weise ich Sie darauf hin, dass Sie als Mitglied des Gemeindewahlausschusses kein Wahlbewerber sein dürfen.“ auch bereits ein verwirrender Sachvortrag.
  4. Und richtig absurd wird es dann, wenn es bei der AfD heißt, dass man keine lenkbaren Wahlmarionetten als Wahlleitung einsetzen dürfe. Welch Hohn in diesen Tagen: Die Marionetten Chinas und des Kremls, in denen freie Wahlen unmöglich sind, unterstellen dies einer integren Beamtin einer freien Demokratie. Das ist nicht nur bizarr, das ist infam.

Zusammengefasst: Über vier Jahre hat eine Laienschauspieltruppe der AfD in diesem Untersuchungsausschuss außer Spesen nichts verursacht – jede derart miese Inszenierung hätte man schon nach Wochen vom Spielplan abgesetzt.

Wer glaubt, mit diesen Hobby-Miss-Marples eine Verschwörung aufdecken zu können, glaubt auch daran, dass die Erde eine Scheibe ist und „Bernd“ Höcke der Messias.

Und am Ende ging es nur darum, die eigene Unfähigkeit anderen in die Schuhe schieben zu wollen. Aber ich bin mir sicher, auch in Zukunft werden Sie noch weitere Ausreden finden, um ihre Stümperei anderen in die Schuhe zu schieben.

Vielleicht hat ja die Sprachpolizei Herrn Zickler gezwungen zu kandidieren oder vielleicht hat der Verfassungsschutz Herrn Weigand den Stift stibitzt?

Ich hoffe nur für die geistige Gesundheit und für dieses Land, dass Sie uns dazu Untersuchungsausschüsse ersparen!

Vielen Dank.