Datum: 10. Februar 2022

Wahlen – Lippmann: AfD versucht den Mythos der „gestohlenen Wahl“ vorzubereiten

Redebeitrag des Abgeordneten Gerhard Liebscher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Freie, gleiche und geheime Wahlen stärken“
45. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 10.02.2022, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wahlen sind das konstitutive Element der parlamentarischen Demokratie. Jeder Anschein, der an der Integrität, aber auch der Dignität von Wahlen erhebliche Zweifel aufkommen lässt, ist geeignet, die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie ins Wanken zu bringen.

Deswegen könnte man, wüsste man es nicht sowieso mittlerweile besser, glauben, hinter dem Antrag der AfD „Freie, Gleiche und geheime Wahlen stärken“ könnte etwas Bedeutendes stehen – vielleicht gar etwas Selbstkritik in Anbetracht der unangefochtenen Tatsache, dass die AfD bei ihrer Listenaufstellung 2019 es mit der Wahrung – Obacht! – des Gleichheitsgrundsatzes nicht so genau genommen hat.

Doch weit gefehlt: In einem geradenach grotesken Gemischtwarenladen wahlrechtlicher Einzelfragen widmet sich die AfD nicht etwa aktuellen Herausforderungen des Wahlrechtes, sondern versucht nur eins: In bester Trumpscher Manier den Mythos der „gestohlenen Wahl“ vorzubereiten. Ihr Hauptziel: die Briefwahl, das angebliche Einfallstor der Manipulation!

Doch weder trifft Ihre Kritik an der Briefwahl auch nur im Ansatz den Kern, noch sind ihre Lösungen etwas anderes als widersinniges wahlrechtliches Wahnwichteltum.

Zur Briefwahl: Das Bundesverfassungsgericht hat 2013 die bedingungslose Freigabe der Briefwahl als verfassungsmäßig erkannt und entsprechende Wahlprüfungsbeschwerden dagegen verworfen. Die entsprechende Freigabe sei in einer Abwägung zwischen der Vereinfachung der Wahlteilnahme und somit der Steigerung der Wahlbeteiligung auf der einen Seite und den verfahrensimmanenten Problemen bei der Wahrung der Wahlgrundsätze bei der Briefwahl zulässig. Die Briefwahl ist zulässig und sie ist sicher, daran gibt es keine Zweifel!

Ihre Maßnahmen und Lösungen sind indes bestenfalls elektoraler Mummenschanz.

In III. 1. e) sollen nun bewegliche Wahlvorstände etabliert werden – u.a. für Klöster. Ein absolutes Massenproblem in Sachsen, bei 11 Klöstern. Ein Blick in die Landeswahlordnung hätte Ihnen gezeigt, dass das da schon drinsteht. – § 6 LWO guten Morgen!

Wahres Popcorn ist III. 1. d) Die Briefwahlumschläge sollen – Zitat – „bis zum Wahltag in einer transparenten und versigelten Wahlurne unter Verschluss und Beobachtung gehalten werden.“ Genau, die Urne muss Tag und Nacht bewacht werden. Es wird nun also von der AfD das Amt des Briefwahlurnenwächters geschaffen! In jedem Briefwahlbezirk! Erzählen Sie mir nochmal wir hätten zu viel Personal im öffentlichen Dienst. Das ist doch Grotesk!

Diese Forderungen sind alle wenig luzide und zeigen, dass die AfD aktuelle Probleme nicht durchdrungen hat.

Ich will Ihnen noch drei aktuelle Problem bei der Integrität und Dignität des Wahlaktes mitgeben, zu denen Sie sich aber beredet ausschweigen.

  1. Die organisatorischen Herausforderungen bei mehreren verschiedenen Wahlen an einem Tag müssen neu bewertet werden – nicht erst nach dem Debakel in Berlin. Hohe Wahlbeteiligungen dürfen nicht dazu führen, dass Menschen ihre Stimme nicht abgeben können. Übrigens: Mit Ihrem Vorschlag, die Briefwahl weitgehend abzuschaffen, würden sie dieses Problem erheblich verschärfen. Aber ich glaube, dass Sie das ganz bewusst wollen: Sie wollen Chaos an der Urne! Chaos, um Zweifel zu sähen!
  2. Dazu passt auch, dass Sie nichts zum Einfluss auf Wahlen durch ausländische Mächte sagen. Dass Russland versucht, Wahlen in Deutschland zu manipulieren, ist allen klar. Hier liegt eine weit größere Gefahr als bei der Briefwahl. Dass Sie dazu nichts sagen, zeigt doch, dass Sie hoffen, Russland manipuliere Wahlen zu IHREN Gunsten. Das sagt eigentlich alles zu diesem Antrag.
  3. Genauso schweigen Sie sich zu Methoden illegaler Parteienfinanzierung aus, von der die AfD in den vergangenen Jahren massiv geschwiegen hat. Für mich ist jeder unbekannte Geldgeber, der seine Zahlungen an die AfD verschleiert, eine weit größere Gefahr für die Demokratie als Oma Erna, die im Altersheim die Briefwahlunterlagen ausfüllt!

Kurzum. Statt Märchen zu erzählen, müssten Sie endlich mal Farbe bekennen, wie Sie zur Integrität von Wahlen beitragen. Aber genau das tun sie bewusst nicht.

Dazu würde dann nämlich auch mal ein klares Bekenntnis zu I. 4. gehören, wo Sie das persönliche Umfeld von Wahlwerbern besser schützen wollen. Erzählen Sie das mal Herrn Dornau, wenn er sich wieder in einem Grimmaer Ortsteil angeblich in einem Wendehammer verfahren hat und – hupps – plötzlich ganz ungewollt als Demo vor Frau Köppings Haus reinkarnierte. Das ist doch aberwitzige Heuchelei!