Datum: 15. März 2023

Zeugnisverweigerungsrecht – Lippmann: Notwendigkeit zeigt sich regelmäßig im Bereich der Fansozialarbeit

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Zeugnisverweigerungsrecht für staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen schaffen“ (Drs 7/12693)
67. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 15.03.2023, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir haben als Koalition vereinbart, zu versuchen, mit einer Bundesratsinitiative das Zeugnisverweigerungsrecht dahingehend zu erweitern, dass das besondere Vertrauensverhältnis von staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie ihren Klientinnen und Klienten stärker geschützt wird. Das gehen wir mit diesem Antrag nun an, weil wir der Überzeugung sind, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, dies gegenüber dem Bund zu adressieren.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir BÜNDNISGRÜNE im Sächsischen Landtag ein Zeugnisverweigerungsrecht speziell für Fansozialarbeit und weitere staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gefordert. Hierzu gab es auch eine recht spannende Debatte hier im Hohen Haus, die damals durchaus Offenheit im Anliegen, aber Nachbesserungsbedarf im Detail aufgezeigt hat.

Wir haben das Vorhaben von damals, das an Aktualität nicht eingebüßt hat, mit unseren Koalitionspartnerinnen etwas modifiziert und im Antrag klargestellt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht eben nur gelten soll, sofern ihnen etwas in ihrer ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordernden Tätigkeit anvertraut oder bekanntgegeben worden ist.

Die Notwendigkeit einer solchen Regelung zeigt sich beispielsweise regelmäßig im Bereich der Fansozialarbeit. Wir schätzen und stärken diese besondere Arbeit im Bereich des Fußballs – so hat der Landtag auch im vergangenen Doppelhaushalt noch einmal die Gelder für die Fanprojekte erhöht, da diese einen unverzichtbaren Beitrag im Umgang mit Radikalisierung und bei der Gewaltprävention im Sport leisten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wenn wir uns über die Bedeutung der Sozialen Arbeit in diesem Bereich so einig sind, dann reicht Geld alleine nicht. Dann braucht es auch einen besonderen Schutz der Sozialen Arbeit. Denn gerade in Sachsen ist dieses Vertrauensverhältnis zwischen Fansozialarbeiterinnen und den -sozialarbeitern und den Fans fragil. Es wurde durch polizeiliche Überwachungs- und Durchsuchungsmaßnahmen in der Vergangenheit teilweise nachhaltig beschädigt.

Das geforderte Zeugnisverweigerungsrecht greift hier ein und schützt die Fansozialarbeit so vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen, die zum Ziel haben, Informationen aus dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Fansozialarbeit und den Fans zu ziehen.

Das Dilemma der Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeiter müssen wir bei solchen Maßnahmen auflösen: Einerseits sind sie nach dem Sozialgesetzbuch verpflichtet, Daten von Jugendlichen zu schützen; andererseits kann sie jeder Richter oder jede Richterin zur Aussage gerade gegen ihre Klientinnen und Klienten zwingen. Das kann nicht funktionieren und bringt Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in diesem Bereich regelmäßig in ein großes Dilemma.

Deutlich wird dies insbesondere in der Entwicklung des strafrechtlich abgesicherten Geheimnis- und Sozialdatenschutzes, der insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe mit umfassenden Schweigepflichten einhergeht, welche allesamt strafbewehrt sind. Denn nach Paragraf 203 StGB machen sich auch staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen strafbar, wenn sie unbefugt fremde Geheimnisse offenbaren.

Mit der Strafbewehrung der Geheimnisoffenbarung und dem gleichzeitig fehlenden Zeugnisverweigerungsrecht andererseits entsteht schnell eine Situation, in denen sie sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeite möglicherweise strafbar machen, weil sie ein Geheimnis offenbaren, oder eine Aussage zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zu verweigern. Das darf nicht sein.

Denn nur durch wechselseitiges Vertrauen kann aber zwischen Sozialarbeiter*innen und Klient*innen auch ein vertrauliches Gesprächsklima geschaffen werden, in dem Informationen geteilt und preisgegeben werden.
Nur mit Vertrauen kann wirksame Präventionsarbeit geleistet werden. (Fan-)Sozialarbeit wird nutzlos, wenn Fans, die die Angebote nutzen, Gefahr laufen, dass ihre Angaben und Geschichten gegen sie verwendet werden, weil ihre Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeiter demnächst als Zeugin bzw. Zeuge vernommen werden.

Die geschilderte Problemkonstellation kann durch ein Zeugnisverweigerungsrecht in diesem Bereich aufgelöst werden. Eine mildere Alternative gibt es nicht. Das Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen der Sozialen Arbeit gilt beispielsweise schon jetzt für jene, die in der Schwangerschaftskonfliktberatung oder der Suchtberatung tätig sind.

Der besondere Schutz für diese Berufsgruppen ist der Rechtsordnung also nicht fremd. Auch das Kinder- und Jugendhilferecht schützt das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeitern und Klientinnen und Klienten. Es ist an der Zeit, dass diese besondere Beziehung endlich auch mit einem Zeugnisverweigerungsrecht vollumfänglich geschützt wird. Dabei gilt es dann auch, grundsätzlich die Frage zu erörtern, ob der gegenwärtige Weg des Strafprozessrechtes, welches die Eigenschaft als Berufsgeheimnistragende Person vor allem an Berufen und weniger an konkret schützenswerten Vertrauensbeziehungen festmacht, noch der richtige ist.

Sehr geehrte Damen und Herren,
da wir als Land für die Strafprozessordnung nicht zuständig sind, gilt es, unseren Einfluss in dieser Sache im Bund zu nutzen. Dort sind regelmäßig kleinere wie größere Reformen der Strafprozessordnung angedacht. Es ist jetzt auch ein guter Zeitpunkt, nachdem der Bundesjustizminister angekündigt hat, dieses Jahr das Strafrecht und das Strafprozessrecht durchforsten und lichten zu wollen. Eine sächsische Bundesratsinitiative könnte daher sich gut in diesen Geleitzug einordnen und Erfolg haben.

Ich hoffe, dass wir zu Wohle der Sozialen Arbeit Erfolg mit dem Vorhaben haben werden. Und bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank!