Datum: 14. September 2005

PM 2005-195: Grüne legen Gesetzentwurf zur verfassungskonformen Neuregelung des Verfassungsschutzgesetzes und des Polizeigesetzes vor

Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2005 festgestellt, dass die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutzes wegen des Trennungsgebotes des Artikels 83 der Sächsischen Verfassung nicht über den traditionellen Kernbestand der Aufgaben des Verfassungsschutzes hinaus ausgedehnt werden darf. Daher darf der Verfassungsschutz nur insoweit gegen Bestrebungen der Organisierten Kriminalität eingesetzt werden, wie diese sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes richtet. 
„Da damit der verfassungsrechtlich zulässige Aufgabenbereich ohnehin verschwindend klein ist, wollen wir zur alten Rechtslage zurückkehren und wieder die Polizeibehörden allein zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten im Rahmen der Organisierter Kriminalität zuständig machen. Auf diese Weise werden lähmende Kompetenzrangeleien vermieden“, begründet der rechts- und innenpolitische Sprecher der bündnisgrünen Fraktion, Johannes Lichdi, die im Gesetzentwurf vorgesehene vollständige Streichung der OK-Zuständigkeit des Verfassungsschutzes. Gegen eine OK-Zuständigkeit hatten sich bereits Polizeipraktiker in der Anhörung im November 2002 gewandt.
Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat zudem die Regelung des „Großen Lauschangriffs“, also die Aushorchung von Wohnräumen durch Wanzen und Richtmikrofone, für verfassungswidrig erklärt, weil die bisherige Regelung nicht den „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ schützte. Er folgt damit der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004.
„Wir wollen möglichst schnell verfassungskonforme Zustände herstellen, und zwar nicht nur im Verfassungsschutzgesetz, sondern auch im Polizeigesetz. Daher binden wir einen Lauschangriff an höhere Hürden.“
Dazu zählt:


  • ein ausdrücklicher Straftatenkatalog anstelle einer allgemeinen Ermächtigung

  • die Anordnung durch eine mit drei Richtern besetzte Kammer des Landgerichts anstelle eines Einzelrichters

  • ein Lauschverbot im Kernbereich privater Lebensgestaltung

  • eine „Echtzeitüberwachung“ durch einen Beamten

  • ein Abbruchs- und Löschungsgebot bei Eindringen in den Kernbereich

  • ein Verwertungsverbot für Daten aus dem Kernbereich

  • die laufende Kontrolle der Überwachung durch das anordnende Gericht

„Besonderen Wert haben wir auf die zwingende Benachrichtigung der Betroffenen nach der Beendigung des Lauschangriffs gelegt. Es muss Schluss mit der Praxis sein, dass Betroffene kaum informiert werden, weil gesetzliche Hintertürchen dies erlauben. Nur noch die Gefährdung des Anordnungszwecks, Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder unzumutbar aufwendige Ermittlungen sollen eine Aussetzung der Benachrichtigung rechtfertigen. Im Übrigen soll über die Aussetzung regelmäßig ein Gericht entscheiden“ betont Lichdi.
Der Gesetzentwurf soll demnächst in Geschäftsgang eingebracht werden, so dass die Neuregelung zum 1. Januar 2006 in Kraft treten kann.
„Ich fordere die Staatsregierung auf, nicht länger an der nutzlosen OK-Zuständigkeit des Verfassungsschutzes festzuhalten und den Großen Lauschangriff möglichst schnell rechtstaatlich sauber zu regeln“, so der Rechtspolitiker abschließend.
Gesetzentwurf (PDF)
weitere Informationen:

  • Studie des Max-Planck-Insituts für ausländisches und internationales Strafrecht zur „Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO“