Datum: 16. Oktober 2006

PM 2006-386: 20 Prozent ‚Unterschicht‘ ist im Osten auf massiven Arbeitsplatzmangel zurückzuführen

Politischer Umgang mit Arbeitsmarktproblem muss in Ost und West verschieden sein
Zur Diskussion um weitere Kürzungen beim Arbeitslosengeld II sowie einer gleichzeitigen Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten bei Hartz-IV-Empfängern erklärt Antje Hermenau, Fraktionschefin der GRÜNEN im sächsischen Landtag: 
„Wenn CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla auf Bundesebene für eine generelle Verschärfung der Regelungen für das Arbeitslosengeld II und die Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten eintritt, verdeutlicht das nur, dass er von den Verhältnissen in den ostdeutschen Bundesländern keine Ahnung hat“, so Hermenau.
„Es geht hier in der Mehrheit nicht um Arbeitsunwillige, sondern darum, dass der Markt in den neuen Bundesländern nicht genügend Arbeitsplätze für ALG-II-Empfänger hergibt. Die durchschnittliche Unternehmensgröße ist im Osten zirka ein Drittel kleiner als im Westen, gleichzeitig fragen hier mehr Menschen Arbeit nach, nicht zuletzt aufgrund des Einkommensgefälles, das auf die Familieneinkommen durchschlägt.“
„Ein Weg, im Osten Verbesserungen zu schaffen, sind in erheblichem Maße die Zuverdienstmöglichkeiten durch Minijobs. Diese dürfen in Ostdeutschland aufgrund der fehlenden Vollzeitarbeitsplätze keinesfalls weiter abgebaut werden. Denn nur auf diese Weise sind viele ALG-II-Empfänger in der Lage, ihre soziale Situation selbständig zu verbessern“, erklärt die Fraktionschefin.
„Dass der sächsische Wirtschafts- und Arbeitsminister Thomas Jurk (SPD) weiter den Abbau von Minijobs fordert, ist angesichts der hiesigen Arbeitsmarktlage, die er wirklich kennen sollte, geradezu skandalös. Das Bofinger-Gutachten, auf das sich Jurk in seiner Argumentation immer wieder bezieht, wird auch einen Monat nach seiner Veröffentlichung nicht richtiger.“
In dem Gutachten hatte der Professor für Volkswirtschaft an der Universität Würzburg dafür plädiert, die Möglichkeit von Hinzuverdiensten bei ALG-II-Empfängern zugunsten von Existenz sichernden Beschäftigungen einzuschränken.
„Wenn wir diese Arbeitsplätze hätten, würden wir das doch liebend gerne tun. Das lässt aber durch wiederholtes Herunterbeten von Wunschvorstellungen nicht ändern. Im Osten geht es nicht darum, Arbeitsunwillige in Massen durch härtere Maßnahmen bei den staatlichen Zahlungen ‚zu zwingen‘, sondern ihnen Möglichkeiten einzuräumen, ihre soziale Situation selbst zu mildern. Das mag bei den erwähnten 4 Prozent im Westen anders sein. Deshalb wird die Politik hier unterschiedliche Antworten geben müssen, entweder in Ost und West oder in arbeitswillig und arbeitsunwillig.“