Datum: 11. Januar 2008

PM 2008-008: Staatsregierung vernachlässigt Geisteswissenschaften an sächsischen Hochschulen

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag sieht nach der heutigen Anhörung zum grünen Antrag für die Stärkung der Geisteswissenschaften in Sachsen dringenden Handlungsbedarf.
„Die Sachverständigen bestätigten einhellig die problematische Situation der sächsischen Geisteswissenschaften“, so Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Parlamentarischer Geschäftsführer und hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion. „Die Umstellung auf Bachelor und Master gefährdet die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer besonders. Die Forschungsförderung und insbesondere die Exzellenzinitiative nehmen auf die spezifischen Anforderungen dieser Fächer keine Rücksicht. Und die geringe Graduiertenförderung in Sachsen stellt vor allem bei den Geisteswissenschaften die Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Frage.“
Prof. Pirmin Stekeler-Weithofer, Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, kritisierte die schlechte Personalsituation in den sächsischen Geisteswissenschaften. „In Sachsen ist die Lage besonders dramatisch. Denn hier sind die Geisteswissenschaften schon seit den späten 1990er Jahren ein Opfer der Stellenkürzungen geworden. Daher ist in vielen Bereichen schon seit längerem die für eine exzellente Forschung und Lehre nötige Handlungsfähigkeit nicht mehr gegeben.“
Nach Stekeler-Weithofer, dem von der GRÜNEN-Fraktion benannten Sachsverständigen, ist insbesondere die geringe Graduiertenförderung des Freistaates dafür verantwortlich, dass die sächsischen Hochschulen zunehmend exzellente Nachwuchswissenschaftler verlieren. „Sachsen hinkt bei der Graduiertenförderung weit hinter dem Bundesdurchschnitt her.“ Nicht zuletzt durch die Exzellenzinitiative werden nun zunehmend Nachwuchswissenschaftler aus sächsischen Hochschulen abgeworben. „Falsch verstandener Sparehrgeiz der Staatsregierung und Vernachlässigung der Möglichkeiten, die die Landesgraduiertenförderung für die Hochschulen böte, haben hier eine desaströse Lage geschaffen, die vor allem zu Lasten der Geisteswissenschaften geht.“
Den Sachverständigen zufolge vernachlässige insbesondere die auf Großforschung orientierte Exzellenzinitiative die Geisteswissenschaften systematisch. Notwendig seien Verbundprojekte und Förderprogramme, welche auch die für die Geisteswissenschaften üblichen Einzelforschungen berücksichtigen.
Einhellig sehen die in der Anhörung vertretenen Experten in der zukünftig wachsenden Hochschulautonomie eine Gefahr, dass die kleinen Fächer schleichend zu Gunsten größerer Fächer und Großforschungsprojekte geschwächt werden. Die vom Antrag geforderte staatliche Verantwortung für den Erhalt kleiner Fächer wurde von den Sachverständigen ebenfalls unterstützt.
Gerstenberg fordert nun die Staatsregierung auf, die Ziele des Antrags zu unterstützen. „Die Wissenschaftsministerin kann vor der einhelligen Auffassung der Experten nicht die Augen verschließen, auch wenn Sie leider der Anhörung nicht beigewohnt hat. Wir brauchen eine angemessene Personalausstattung, verbindliche Leitplanken zum Schutz der Geisteswissenschaften und eine Forschungsförderung, die den Geisteswissenschaften gerecht wird. Wer jetzt nicht handelt, versündigt sich am reichen geisteswissenschaftlichen Erbe Sachsens.“ Antrag „Geisteswissenschaften an sächsischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen stärken“ (Drs. 4/9950)