Datum: 28. Januar 2008

PM 2008-035: Hochschulgesetzentwurf – ein treffendes Beispiel für Innovationsarmut der sächsischen Wissenschaftspolitik

Die ’89 erkämpfte Demokratisierung der Hochschulen wird mit autoritären Strukturen zu Grabe getragen
Die GRÜNE-Fraktion im Sächsischen Landtag übt heftige Kritik am Hochschulgesetzentwurf der Staatsregierung, der morgen vom Kabinett verabschiedet werden soll. „Mit dem vorliegenden Entwurf verfehlt die Koalition in wesentlichen Punkten ihre Zielstellungen“, erklärt Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Parlamentarischer Geschäftsführer und hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion.
„Wenig Autonomie, kaum Innovationen, viel Entdemokratisierung – dieser Hochschulgesetzentwurf ist eine Zumutung für die sächsischen Hochschulen. Wer wie die Koalition unternehmensähnliche Organisationsstrukturen einführt und zugleich an den verschiedensten Stellen die staatliche Gängelung beibehält, misstraut offensichtlich seinen Hochschulen.“
Insbesondere bei Personal und Finanzen löst der Entwurf das Versprechen auf mehr Autonomie nicht ein: „Die Globalbudgets werden durch die vorgesehene Rechtsverordnung des Finanzministeriums, die bis ins Detail regelt, wie mit den Finanzen umzugehen ist, gleich wieder kassiert. Bei den Berufungen behält sich das Wissenschaftsministerium das Vetorecht vor. Auch der Umfang der Lehrverpflichtungen wird wie bisher bürokratisch auf dem Verordnungsweg geregelt.“
Der Hochschulpolitiker sieht weitere Versprechen aus der Koalition gebrochen: „Die lange angekündigten Lehr- und Forschungsprofessuren finden sich ebenso wenig wie der Lecturer. Stattdessen müssen sich die Hochschulen mit überholten Personalkategorien zufrieden geben.“
Sachsen droht Gerstenberg zufolge in vielen Bereichen gegenüber anderen Ländern mit den hochschulgesetzlichen Regelungen zurückzufallen. „Es ist ein Armutszeugnis, wenn bei der Promotion alte Zöpfe wie das Rigorosum nicht abgeschnitten werden. Beim Teilzeitstudium will Sachsen mit seinen unverbindlichen Regelungen offenbar das Schlussschlicht werden. Der andernorts längst übliche Hochschulzugang auf Grundlage des Meisterbriefs findet sich ebenfalls nicht. Dieser Entwurf ist ein schlagendes Beispiel für die Innovationsarmut der Wissenschaftspolitik der Regierunsgkoalition.“
Die vorgesehen Organisationsstrukturen der Hochschulen bestätigen dem Hochschulpolitiker zufolge schlimmste Erwartungen. „Der Entwurf sieht eine beispiellose Entmachtung der akademischen Gremien vor. Selbst in den akademischen Fragen, in denen der Senat üblicherweise alleinige Entscheidungsbefugnis besitzt, muss er das Einvernehmen des Rektorats einholen. Zu glauben, dass ein zweimal jährlich tagender Hochschulrat, der mehrheitlich mit Externen besetzt ist, das Handeln des Rektorats ernsthaft kontrollieren kann, ist naiv. Es gibt faktisch keine Situation mehr, in der das Rektorat nicht die letzte Entscheidungsgewalt hat. Mit diesem Hochschulgesetz stellt sich Sachsen an die Spitze der autoritären Hochschulgesetze in Deutschland. Die 1989 erkämpfte Demokratisierung der Hochschulen wird mit einer unternehmensähnlichen Hochschulstruktur zu Grabe getragen.“
Gerstenberg fordert die Hochschulen auf, die Anhörungsphase zum entschiedenen Widerstand zu nutzen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Wissenschaftler, Studierende und Mitarbeiter der Hochschulen diese Reform, die ihnen wenig Autonomie, aber noch viel weniger Mitbestimmung einräumt, gefallen lassen. Wissenschaftsministerin Stange ist gut beraten, die Kritik der Hochschulen zu nutzen, um die entscheidenden Schwachstellen in den Beratungen mit der CDU zu beseitigen. Ein gutes Hochschulgesetz wird es ohnehin nicht mehr, aber das Schlimmste kann noch verhindert werden.“
Die GRÜNE-Fraktion hatte bereits im vergangenen Jahr einen eigenen Hochschulgesetzentwurf eingebracht, der in den kommenden Monaten gemeinsam mit dem Entwurf der Staatsregierung beraten werden wird.
Zusammenfassung GRÜNE-Fraktion „Die fünf größten Minuspunkte“ Gesetzentwurf Staatsregierung Sächsisches Hochschulgesetz (Arbeitsfassung)