Datum: 04. September 2008

PM 2008-262: „Kompromisspapier mit kurzer Halbwertzeit“ – Hochschulgesetzentwurf der Staatsregierung fällt durch Experten-TÜV

Wissenschaftsministerin Stange muss sich jetzt durchsetzen und grüne Regelungen aufnehmen
Die GRÜNE-Fraktion fordert nach der Sachverständigen-Anhörung im Landtag die Staatsregierung zu grundsätzlichen Korrekturen ihres Hochschulgesetzentwurfs auf.
„Dieser Entwurf ist heute durch den Experten-TÜV gefallen. In den Bereichen Finanz- und Personalautonomie, Binnenorganisation und Mitbestimmung hat die Staatsregierung die Tests nicht bestanden“, erklärt Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Parlamentarischer Geschäftsführer und hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion. „Das Fazit der Fachleute ist eindeutig: dieses Gesetz ist eine allgemeine Gefahr für die sächsischen Hochschulen.“
Der von den GRÜNEN benannte Hochschulrechtler Prof. Dr. Frank Rottmann äußerte erhebliche rechtliche Bedenken gegenüber den Regelungen der Staatsregierung. Insbesondere beim Hochschulrat existieren verfassungsrechtliche Probleme. „Wenn der Hochschulrat seine Legitimation nicht von der Hochschule bezieht, hat er keine körperschaftliche Legitimation. Hat der Hochschulrat mehr als eine Beratungsfunktion, gerät er in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen.“
Angesichts dieser Rechtsprobleme ist eine Begrenzung der Kompetenzen des Hochschulrates auf eine Beratung der Hochschulen wie im grünen Entwurf dringend geboten.
Auch bei den Zielvereinbarungen sieht Rottmann erhebliche Probleme. Sowohl das Budgetrecht des Parlaments als auch die Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen sind mit den jetzigen Regelungen gefährdet. Diese Probleme wären mit einer Verankerung als öffentlich-rechtlicher Vertrag wie im grünen Entwurf zu umgehen.
Darüber hinaus kritisierten die Sachverständigen die mangelnde finanzielle und personelle Autonomie. Übereinstimmend stellten Vertreter der Hochschulleitungen wie Prof. Kokenge (TU Dresden), Prof. Gies (Hochschule für Musik Dresden) und der Kanzler der TU Chemnitz, Eberhard Alles, fest, dass der Entwurf zu wenig Autonomie ermöglicht. Der Prorektor der Universität Leipzig, Prof. Wolfgang Fach: „Durch die neuen Paragraphen schimmert der alte Geist. Die Autonomie der Hochschulen hört dort auf, wo die Rechtsverordnungen des Wissenschaftsministeriums es wollen.“ Insbesondere die Regelungen zur Finanzierung bringen eine wesentlich dichtere Kontrolle als bisher mit sich. Die Finanzautonomie wird durch die vorgesehene Rechtsverordnung des Finanzministeriums, die bis ins Detail regelt, wie mit den Finanzen umzugehen ist, konterkariert.
Wissenschaftsministerin Stange erfuhr massive Kritik am Gesetzentwurf aus der eigenen Gewerkschaft. Die Landesvorsitzende der GEW, Sabine Gerold, forderte eine Verbindung von Autonomie und stärkerer Mitbestimmung. Diesem Anspruch wird der grüne Gesetzentwurf laut Gerold und dem Vertreter der Studentenschaften, Gerald Eisenblätter, wesentlich besser gerecht. Auch der Rektor der Dresdner Musikhochschule Gies betonte: „Der Entwurf der GRÜNEN-Fraktion ist stringenter, kohärenter; der Entwurf der Staatsregierung hätte grünlicher geraten können. Stattdessen ist es ein Kompromisspapier mit kurzer Halbwertzeit geworden.“
Die vorgesehen Organisationsstrukturen der Hochschulen werden von den Sachverständigen mehrheitlich abgelehnt. Ein Großteil der Experten forderte die Beibehaltung eines reformierten Konzils oder einer Hochschulversammlung. „Selbst die von der Koalition benannten Experten und auch Hochschulleitungen haben die beispiellose Entmachtung der akademischen Gremien überwiegend abgelehnt“, so der grüne Abgeordnete Gerstenberg. „Der Senat ist zu klein und zu schwach, Hochschulrat und Rektorat sind zu mächtig, Entscheidungsblockaden zwischen Hochschulrat und Rektorat sind vorprogrammiert. Hier muss die Staatsregierung nacharbeiten, wenn sie nicht ein Scheitern des Gesetzes in den Hochschulen riskieren will.“
Gerstenberg sieht jetzt das parlamentarische Verfahren als letzte Chance für Änderungen. „Der Entwurf der Staatsregierung muss nun nicht nur dringend nachgebessert sondern in wesentlichen Punkten verändert werden. Nun sollten Regelungen unseres Gesetzentwurfes zum Zuge kommen, die von den Sachverständigen für gut befunden wurden.“ Redebeitrag des Sachverständigen der Fraktion GRÜNE, Prof. Dr. Rottmann Der grüne Gesetzentwurf „Sächsisches Hochschulgesetz“ (Drs. 4/8057)
Alles rund um die Hochschulreform, die Gesetzentwürfe sowie Eckpunktepapier, Vergleiche unter: http://www.hochschulreform-sachsen.de/startseite.html