Datum: 18. Oktober 2010

„Herr Tillich und die alten SED-Durchhalteparolen“ – Leserbrief von Antje Hermenau zum Gastbeitrag von Stanislaw Tillich im Focus-Magazin

Als Sächsin bin ich unangenehm berührt, wenn unser sächsischer Ministerpräsident meint, gegenüber den Westdeutschen den Oberlehrer geben zu müssen und uns Sachsen/„Ossis“ alle unter dem alten „SED- Wir“ subsumiert. Immer wieder bin ich befremdet über Stanislaw Tillichs Demokratieverständnis, die Politik solle lediglich erklären und dann umsetzen, wie im kleinen Kreis beschlossen.
Das hätte auch ein DDR-Funktionär problemlos so formulieren können. Auf die Idee, dass Politik eine Angelegenheit der Bürger sein sollte, kommt Ministerpräsident Tillich erst gar nicht. Die Demokratie muss aber in der Lage sein, Fehlentscheidungen zu korrigieren statt sie zu zementieren. Ansonsten stellt sie in dieser Frage keine wirkliche Weiterentwicklung im Vergleich zum DDR-Regime dar. Dass unsere Landesregierung es als Standortvorteil interpretiert, in Fragen der Demokratie noch in der DDR zu leben, ist ja eigentlich beschämend genug. Aber die Aussage, dass sich die Ostdeutschen den harten Regeln der Globalisierung besser anpassen könnten, ist eine glatte Fehlinformation, wenn man sich die Energiepolitik in unserem Lande anguckt, die im Wesentlichen auf der Braunkohle basiert und mit 14 Tonnen CO2 – Ausstoß pro Sachse die deutsche Bilanz noch einmal drastisch verschlechtert. Wahrscheinlich findet der Klimawandel nur im Westen statt. Auch hier knüpft Herr Tillich nahtlos an die DDR an, die immer die Parole ausgab: „Der Sozialismus siegt“. Eine Spitzenregion in Europa wird Sachsen damit jedenfalls nicht.
Stanislaw Tillich will offensichtlich vergessen machen, dass die Ideologie des „Bauens um jeden Preis“ heute zu Infrastrukturen im Osten geführt hat, die angesichts der demografischen Entwicklung überdimensioniert und finanziell sinnlos geworden sind. Die antike Regierungsregel des „panem et circensis“ erschöpft sich inzwischen auch im Osten unserer Republik zunehmend. Natürlich werden es die Caesaren wieder einmal als letzte merken.
Liebe „Wessis“, liebe Mitbürger! Von Menschen, die ihre Lektionen in den letzten 20 Jahren derartig selektiv gelernt haben, müsst Ihr Euch bestimmt nicht belehren lassen! » Zum Focus-Beitrag (41/10)