Datum: 12. April 2010

PM 2010-109: Anhörung zu Hochschulvereinbarung: Hochschulen sehen keinen Spielraum für Kürzungen

Die sächsischen Hochschulen sprechen sich klar gegen weitere Kürzungen in den nächsten Jahren aus. Bei einer öffentlichen Anhörung im Landtag zur künftigen Entwicklung der Hochschullandschaft unterstützte der Großteil der Sachverständigen die Forderungen eines GRÜNEN-Antrags.
"Die einhellige Auffassung der Experten lautet: auch bei künftig zurückgehenden Studierendenzahlen brauchen die Hochschulen eine Finanzierung mindestens in derzeitiger Höhe. Das heißt: keine Kürzungen bei Stellen und Finanzmitteln", Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der Faktion.
"Um eine bessere Lehrqualität zu entwickeln und Spielräume für Profilbildung zu wahren, brauchen wir dringend eine neue Hochschulvereinbarung, die allen Hochschulen eine berechenbare Perspektive gibt."
Der Antrag der GRÜNEN-Fraktion fordert für die kommenden Jahre eine Beibehaltung der jetzigen Stellen- und Finanzausstattung.
Prof. Dr. Herrmann Kokenge, Rektor der TU Dresden und Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, lehnte weitere Kürzungen mit Verweis auf die Entwicklung der letzten Jahre ab. Die sächsischen Hochschulen liegen ihm zufolge bei der Finanzierung je Studierenden auf der drittletzten Stelle im Bundesvergleich.
"Seit 2001 wurden an der TU Dresden 230 Stellen abgebaut, während 6.700 Studienplätze hinzu kamen – das führt automatisch zu einer Verschlechterung der Betreuungsqualität." Kokenge forderte dringend den Abschluss einer neuen Hochschulvereinbarung ein. "Wir brauchen eine hochschulpolitische Vision und eine längerfristige Perspektive."

Prof. Dr. Robert Holländer, der Prorektor der Universität Leipzig, wies darauf hin, dass die Schere zwischen Stellenabbau und Zunahme der Studierendenzahl zu einer Überbelastung der Betreuung führt. Schon jetzt sinkt ihm zufolge die Wettbewerbsfähigkeit und sind Professorengehälter nicht mehr konkurrenzfähig.
Der Kanzler der TU Freiberg, Andreas Handschuh warnte: "Ein weiterer Personalabbau hätte fatale Folgen und negative Rückkopplungen zur Folge." Angesichts des absehbaren Akademikermangels müssen die Hochschulen angemessen ausgestattet werden, um genügend Studierende ausbilden zu können und vor Ort zu halten.
Die Sprecherin der Konferenz sächsischer Studierendenschaften, Dorothee Riese, forderte eine bessere Finanzierung der Hochschulen ein. "Kürzungen wären fatal und angesichts der Überlast in der Lehre ein großer Fehler." Sie forderte die Aussetzung der Kürzung von derzeit akut gefährdeten 300 Stellen. In Bezug auf das Lehramtsstudium forderte sie, die Konzentration in Leipzig aufzuheben.
Dem renommierten Hochschulforscher Dr. Peer Pasternack zufolge ist eine landesweite Rahmenvereinbarung unabdingbar. Neben einer auskömmlichen Grundausstattung müssen die Hochschulen ihm zufolge zeigen, dass sie gesellschaftliche und regionale ökonomische Probleme lösen können. Angesichts zurückgehender Studierendenzahlen von 40 Prozent könnten in regional wirksamen Leistungen in Forschung und Beratung neue Aufgabenfelder liegen.
Karl-Heinz Gerstenberg sieht sich durch die Anhörung bestätigt und hofft auf ein Umdenken in der Koalition. "Die in der CDU-Fraktion durchaus verbreitete Auffassung, man könne in Größenordnungen sparen und gleichzeitig Exzellenz erhalten, wurde von den Fachleuten eindeutig widerlegt. Es ist umgekehrt:  Wer bei der Grundfinanzierung kürzt, kann sich künftig jede Beteiligung an weiteren Exzellenzinitiativen sparen."
Der Hochschulpolitiker sieht nun die Staatsregierung am Zug. "Werden die Ressourcen der Hochschulen nicht aufrechterhalten, wird Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer an ihrem Amt nicht viel Freude haben. Dann geht es nur noch um die Verwaltung des Niedergangs."
» Grüner Antrag ‚Leitlinien einer künftigen Vereinbarung zwischen der Staatsregierung und den sächsischen Hochschulen (Hochschulvereinbarung)‘ (Drs. 5/454)

Hintergrund:
Derzeit beginnen jährlich ca. 20.000 Studienanfänger ein Studium in Sachsen, bis 2015 wird ein Rückgang auf ca. 14.000 Studienanfänger prognostiziert.
Seit 2003 mussten die Hochschulen 1.200 Stellen von 19.500 Stellen abbauen, darunter über 400 von 2.600 Professuren – also ein Sechstel der wissenschaftlichen Ressourcen. Für die Jahre 2009 und 2010 konnte ein Stellenabbau um weitere 300 Stellen nur durch die Gegenfinanzierung durch Hochschulpaktmittel verhindert werden.
Nach dem Soll von 2010 finanziert der Freistaat die Universitäten, Fach- und Kunsthochschulen mit 868 Millionen Euro (ohne die Ausgaben für Klinika, Bibliotheken, Ausbildungsförderung und außeruniversitäre Forschung). Dadurch werden über 18.000 Stellen und 2.200 Professuren unterhalten.
Bereits im Frühjahr 2009 hatte die GRÜNE-Fraktion im Landtagsplenum einen Verzicht auf weitere Kürzungen gefordert. Der Antrag wurde von CDU, SPD und FDP abgelehnt.
Entscheidende Weichenstellungen zur Struktur und zur Finanzierung nach 2010 werden in der nächsten Hochschulvereinbarung erfolgen. In einem Antrag hat die GRÜNE-Fraktion gefordert, trotz des drohenden Rückgangs der Studierendenzahlen keine Stellen- und Finanzkürzungen vorzunehmen, sondern die Hochschulen zumindest nicht unterhalb des bundesweiten Durchschnitts zu finanzieren. Weitere Vorschläge beziehen sich unter anderem auf die Sicherung einer ausgewogenen Fächerstruktur und der Qualität der Lehre.