Datum: 21. Dezember 2010

PM 2010-394: Sachsen LB – GRÜNE erwarten Klage der Staatsregierung nicht nur gegen den ehemaligen Vorstand

Zum gestrigen Verzicht der Bayern LB, Schadensersatzklagen gegen frühere Verwaltungsräte zu erheben und vor der morgigen Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses zu evtl. Klagen Sachsens gegen den Vorstand und Verwaltungsratsmitglieder der ehemaligen Sachsen LB erklärt Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
"Recht und Gesetz muss für alle gelten. Darum darf nicht nur gegen den Vorstand der Sachsen LB juristisch vorgegangen werden. Auch gegen jene Verwaltungsräte ist Klage einzulegen, die für die Milliardenverluste der Sachsen LB Verantwortung tragen. Das erfordert allein schon die politische Hygiene. Die kollektive Flucht aus der Verantwortung muss Folgen haben."
"Klagt die Staatsregierung nicht, entstünde der Eindruck, dass eine Klage gegen politische Freunde verhindert werden soll. Die juristische Aufarbeitung der Pleite der Sachsen LB hat aber Vorbildfunktion für das Kontrollverhalten in allen öffentlichen Unternehmen Sachsens. Wer in Zukunft Aufsichtsratssitze oder ähnlich Posten übernimmt, muss dafür persönlich geeignet sein, unangenehme Fragen stellen und Rückgrat zeigen."
"Es war das Zusammenspiel von Vorstand und Verwaltungsrat, das zur Krise der Bank führte. Im von der GRÜNEN-Fraktion erstrittenen Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 28. August 2009 haben die Richter deutlich gemacht, dass die Risiken auch für Verwaltungsratsmitglieder vorhersehbar waren. Die Verantwortung des Verwaltungsrates für die Geschäftspolitik und die Wahrung der Sorgfaltspflichten sind nicht von der Hand zu weisen. Auch die Mitglieder hätten sich über Haftungszusammenhänge informieren und danach handeln müssen."
"Schon seit dem Frühjahr 2008 hat die Staatsregierung erklärt, Klagen gegen die Verantwortliche prüfen zu wollen. Ich erwarte schlüssige Erklärungen, wenn der Finanzminister von Klagen abraten sollte. Sonst entsteht der Eindruck, dass die Staatsregierung nur zweieinhalb Jahre Zeit ins Land gehen lassen wollte."

Hintergrund:
Urteil d. Sächs. Verfassungsgerichtshofs 28.8.09, Vf. 41 – I – 08, S. 35:
«Durch die Entsendung des Staatsministers der Finanzen als Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Sachsen LB nach Paragraf 41 Abs. 3 GörK a.F. wurde sichergestellt, dass die Verantwortlichkeit für deren Geschäftspolitik zumindest auch bei einem Exekutivorgan lag.»
(Görk a.F.: Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen Finanzgruppe (alte Fassung))
Und weiter: «Der Staatsminister der Finanzen war auch angesichts dieser nur eingeschränkt gegebenen Handlungsmöglichkeiten jedenfalls dann von Verfassung wegen verpflichtet, diese mit der Zielrichtung einer Beschränkung der unternehmerischen Betätigung der Sachsen LB zu nutzen, wenn diese nicht mehr innerhalb ihres gesetzlichen Auftrages lag und die hieraus resultierenden, vorhersehbaren Risiken im Falle ihrer Realisierung den Haushaltsgesetzgeber in künftigen Haushaltsperioden in seiner Entscheidungsfreiheit erkennbar beeinträchtigten.»
«Hieran gemessen war der Antragsgegner zu 1) zur Wahrung der Budgethoheit des Landtages verpflichtet, die Erhöhung der Kreditlinie in der Sitzung des Kreditausschusses vom 16. Juni 2005 abzulehnen.»
«Die mit der Zustimmung zur Erhöhung der Kreditlinie ermöglichte Betätigung der Sachsen LB bzw. der Sachsen LB Europe auf den Kapitalmärkten war von ihren gesetzlichen Aufgaben nicht mehr gedeckt.»

S. 41, Punkt III. 2.c, Doppelbuchstabe cc.) des Urteils:
«Die unter bb) beschriebenen Risiken und damit die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Staatshaushalts ohne parlamentarische Ermächtigung waren für die Antragsgegnerin zu 2), die im maßgeblichen Zeitraum durch den Antragsgegner zu 1) den Vorsitz im Verwaltungsrat und im Kreditausschuss des Verwaltungsrats der Sachsen LB führte, vorhersehbar.»

Und weiter (S. 42, Punkt III.2.c, Doppelbuchstabe cc) (3):
«(3) Dem Antragsgegner zu 1) lagen damit aufgrund seiner Mitgliedschaft im Verwaltungsrat und in dem von diesem gebildeten Kreditausschuss im Juni 2005 Kenntnisse vor, nach denen offenkundig die aus den Finanzmarktgeschäften der Sachsen LB Europe resultierenden Risiken von der Sachsen LB nicht vollständig erfasst waren. Gerade angesichts der in der Beschlussvorlage offen zu Tage tretende Widersprüche hätte spätestens nach dem ausdrücklichen Hinweis in der Sitzung des Kreditausschusses vom 16. Juni 2005 und vor einer Zustimmung zur Ausweitung der Kreditlinien eine umfassende Prüfung der Haftungszusammenhänge erfolgen müssen, zumal in der Risikoberichterstattung der Sachsen LB an die Organe der Sachsen LB sowohl vor der wie auch im Anschluss an die Ausweitung der Liquiditätsfazilität auf rund 1,7 Mrd. Euro die Ansicht vertreten wurde, der maximal mögliche Ausfallbetrag sei auf die Höhe der zugesagten Kreditlinie begrenzt.
Eine gewisse Verantwortung für die Geschäftspolitik und eines Hinwirkens auf die Wahrung der  ist daher zu erwarten. Es entspräche der Sorgfaltspflicht, dahin zu arbeiten, diese Risiken zu vermeiden und auf ausreichend informierter Grundlage zu handeln.»