PM 2011-074: GRÜNE wollen Länderfinanzausgleich reformieren und Neiddebatte beenden
2019 endet der Länderfinanzausgleich. Die von den Ministerpräsidenten der drei großen Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen angedrohte Klage zeigt, dass eine Reform des Länderfinanzausgleichs ab 2020 dringend geboten ist. Allerdings eine, die nicht entsolidarisiert, sondern alle Länder zu ihrem Recht kommen lässt und win-win-Elemente beinhaltet.
Für Sachsen geht es darum, auch nach Ende des Solidarpakts eine dauerhafte Finanzierung sicher zu stellen.
"2009 hat der Freistaat insgesamt 6,8 Mrd. Euro aus dem Länderfinanzausgleich (Abb. s. Hintergrundpapier) erhalten. Das sind 42 Prozent der gesamten Einnahmen. Ich gehe nicht davon aus, dass Sachsen auf diese Summe in Gänze verzichten kann. Es reicht nicht, wenn Ministerpräsident Stanislaw Tillich in diesem Zusammenhang auf die solide Haushaltsführung in Sachsen verweist. Als Ministerpräsident des zweitgrößten Nehmerlandes muss er aktiv auf eine Reform, die von allen Ländern getragen wird, hinarbeiten. Die Vorstellung seines Wirtschaftsministers Sven Morlok, Sachsen werde ab dem nächsten Jahrzehnt zum Geberland, ist eine Illusion", erklärt Antje Hermenau, Vorsitzende der GRÜNEN im Sächsischen Landtag und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion.
"Fest steht, dreißig Jahre nach der friedlichen Revolution können wir nicht mehr erwarten, Mittel für den Wiederaufbau zu bekommen, vielleicht aber einen Ausgleich für unsere strukturelle Wirtschaftsschwäche oder unsere Demografie bedingten Probleme", so Hermenau.
Sigrid Erfurth, finanzpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion Hessen begründet die notwendige Reform aus Sicht eines Geberlandes: "Der horizontale Finanzausgleich untergräbt die Solidarbereitschaft der Länder." Hessen zahlte 2010 rund 10 Prozent seines Etats in den Länderfinanzausgleich ein. "Diese Belastung wird in Wahlkampfzeiten regelmäßig auf populistische Weise instrumentalisiert. Diese Neiddebatte in der Bevölkerung müssen wir beenden."
Ziele einer Reform des Länderfinanzausgleichs müssen daher nach Ansicht der GRÜNEN sein:
- ein höherer Anreiz für die Bundesländer, sich stärker um eigene Einnahmen zu bemühen
- Planungssicherheit für Länder mit besonderen Belastungen (Demografie, Sozialausgaben) durch die Einführung objektiver Bedarfskriterien
- Das im Grundgesetz verankerte Ziel auf gleichwertige Lebensverhältnisse in den Bundesländern muss gewährleistet bleiben
Mit diesen Überlegungen traten die GRÜNEN Landtagsfraktionen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen an Prof. Nathalie Behnke von der Universität Konstanz heran, damit sie Linien für eine systematische Neuausrichtung der deutschen Finanzverfassung nach 2020 erarbeitet.
Auf Basis des Gutachtens von Prof. Behnke ist ein Reformvorschlag für den Länderfinanzausgleich entstanden. Dieser hat zwei wesentliche Elemente: 1. der horizontale Länderfinanzausgleich entfällt. 2. Der Ausgleich erfolgt über den Umsatzsteueranteil der Länder nach Bedarfskriterien. Das Leistungsprinzip wird gestärkt und die Solidarität zwischen den Ländern bleibt erhalten. Hinzu kommen zwei weitere neue Ausgleichsstufen, z.B. für strukturelle Wirtschaftsschwäche, die sowohl neue als auch alte Bundesländer betreffen. Zusätzlich soll ein Katastrophenfonds eingerichtet werden, um Sonderlasten aus Naturkatastrophen auszugleichen, die uns auch in Sachsen immer wieder zu schaffen machen.
Vorteile der Reform:
- Die Geberländer können nicht mehr jammern "immer müssen wir zahlen"
- ein Bundesland wird nicht mehr ‚bestraft‘, wenn es sich wirtschaftlich engagiert und mehr Steuereinnahmen erzielt. Das führt letztlich zu höheren Steuereinnahmen auf allen Ebenen
- schließlich wird das neue System wesentlich transparenter und dauerhafter. Das ständige Nachjustieren entfällt.
"Wir GRÜNE aus den Geberländern wollen nicht aus dem Länderfinanzausgleich aussteigen. Wir wollen die leistungsfeindlichen Anreize aufheben und stattdessen über die Neuverteilung der Umsatzsteuer einen Ausgleich zwischen finanzstärkeren und -schwächeren Ländern erreichen. Das ist transparent und nachvollziehbar", fast Sigrid Erfurth zusammen.
Antje Hermenau ergänzt: "Jetzt, da die Struktur des umfassenden Reformvorschlags steht, lassen wir das Modell von Frau Professor Dr. Behnke durchrechnen, um eine Feinabstimmung der Ausgleichsparameter vorzunehmen."
» Hintergrundpapier: Fahrplan für eine grüne Reform des Länderfinanzausgleichs (PDF)
» Gutachten: Fahrplan für eine grüne Reform der bundesdeutschen Finanzverfassung (PDF)