Datum: 11. Mai 2011

PM 2011-136: Öffentliche Anhörung: Experten für Erhalt des Widerspruchsverfahrens – „Bürger erlebt damit Rechtsstaat zeitnah, unmittelbar und kostengünstig“

In der heutigen Sachverständigenanhörung im Landtag zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Keine Abschaffung von Widerspruchsverfahren – Außergerichtlichen Rechtsschutz für Bürgerinnen und Bürger erhalten" (Drs. 5/5052) hat sich die überwiegende Zahl der Sachverständigen für die Beibehaltung des Widerspruchsverfahrens ausgesprochen.
"Die Pläne der Staatsregierung zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens finden keinen Rückhalt in Sachsen", resümiert Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion.
"Ich freue mich, dass die Vertreter aus der sächsischen Richter- und Anwaltschaft sowie der Rechtswissenschaft das Anliegen unsere Antrags unterstützt und sich sogar für einen Ausbau der Kontrollmöglichkeiten in Behörden und Gerichten ausgesprochen haben."
Die Experten machten in der Anhörung deutlich, dass man sich Reformen nicht verschließen sollte. Diese Reformen müssten jedoch an den Widerspruchsverfahren selbst ansetzen. So betonte der von der GRÜNEN-Fraktion als Experte geladene Rechtsanwalt Lothar Hermes, dass die durch die Verwaltungs- und Strukturreform 2008 teilweise herbeigeführte Zusammenlegung von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde keine effektive Selbstkontrolle der Verwaltung bewirke. Nur bei einem Auseinanderfallen dieser Stellen, erreiche das Widerspruchsverfahren sein Ziel. Zudem unterstrich Hermes die Bedeutung des Rechtsbehelfs: "Im Widerspruchsverfahren erlebt der Bürger den Rechtsstaat zeitnah, unmittelbar und kostengünstig."
"Die Vorstellungen der Staatsregierung sind völlig bürgerfremd. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens ohne jedwede Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger und mit höherem Aufwand für Behörden und Gerichte muss beerdigt werden", fordert deshalb Jähnigen.
» GRÜNER Antrag

Hintergrund:
Die Evaluation des Pilotprojekts "Probeweise Abschaffung des Widerspruchsverfahrens im Regierungsbezirk Mittelfranken" zeigte, dass die Klageeingänge am zuständigen Verwaltungsgericht Ansbach sprunghaft um 132 Prozent angestiegen.
Zugleich lag die Erfolgsquote bei Widerspruchsverfahren in anderen Regierungsbezirken bei rund 51 Prozent. Das bedeutet, dass jede zweite Entscheidung der Ausgangsbehörde falsch und damit rechtswidrig ist.
Weitere Folgen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens waren eine deutliche Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer (Erhöhung mind. um ein Drittel) und deutlich höhere Verfahrenskosten (Erhöhung mind. um zwei Drittel).
Die GRÜNE-Fraktion betrachtet das Widerspruchsverfahren als einen bürgernahen Rechtsbehelf für eine kostengünstige, unbürokratische und zeitnahe Überprüfung einer behördlichen Entscheidung.
Ist beispielsweise die Berechnungsgrundlage eines Bescheides falsch, sieht der derzeitige Verfahrensweg vor, Widerspruch einzulegen. In der Folge überprüft und ggf. revidiert die jeweilige Behörde ihre Entscheidung. Müsste der Betroffene sofort Klage einlegen, wie es die Staatsregierung plant, wäre die Überprüfung des Bescheids langwieriger und kostspieliger.
Denn beim Widerspruchsverfahren muss anders als im Klageverfahren kein Kostenvorschuss gezahlt werden.