Datum: 16. Mai 2011

PM 2011-143: Anhörung zum Polizeigesetz – Experten sehen verfassungsrechtliche Bedenken

"Die Sachverständigen haben dem Polizeigesetzentwurf der Koalition in wesentlichen  Punkten mangelnde Notwendigkeit, Unpraktikabilität und Verfassungswidrigkeit bestätigt", erklärt Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, nach der heutigen Landtagsanhörung zur Änderung des Polizeigesetzes.
"Offensichtlich soll aus politsymbolischen Gründen wie schon beim verfassungswidrigen Versammlungsgesetz ‚Handlungsfähigkeit‘ bar jeder Fachlichkeit demonstriert werden."
Professor Dr. Hartmut Aden, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, wies etwa darauf hin, dass die erleichterte Wohnungsdurchsuchung in Entführungsfällen unnötig sei, da die Polizei selbstverständlich jetzt schon eine Wohnung durchsuchen kann und muss, wenn sie tatsächliche Anhaltspunkte  dafür hat, dass dort ein Entführungsopfer gefangen gehalten wird. Zudem verstoße die Absenkung der Eingriffsschwelle für Wohnraumüberwachung gegen den Schutz des Wohnungsgrundrechts des Art. 13 Grundgesetz.
Die vorgesehene Regelung zum Alkoholverbot sei nach Auffassung von Herrn Prof. Ulrich Stephan, Ministerialdirigent a.D. aus Stuttgart, unnötig und unpraktikabel, da selbst bei Erlass einer Alkoholverbotsverordnung für einen bestimmten Platz die Polizei die Einhaltung im Einzelfall kontrollieren müsse.
Kritik erfuhr auch die Regelung zur Akkreditierung von Journalisten bei Großereignissen (etwa WM oder Papstbesuch). "Der faktische Zwang für Journalisten, einer Durchleuchtung ihrer Person zuzustimmen, ist ein bedenklicher Eingriff in die Pressefreiheit" (Art. 5, Abs. 3 Grundgesetz), meinte Aden.
Schließlich verstoße es gegen das Transparenzgebot, dass die Bestimmungen für polizeiliche Datenbanken nicht im Gesetz oder wenigstens einer öffentlichen Rechtsverordnung geregelt würden. In Sachsen sind die verwaltungsinternen Errichtungsanordnungen geheim und werden nicht einmal Abgeordneten mitgeteilt.
Die Sachverständigen kritisierten handwerkliche Mängel wie die ausufernden Absätze, fehlende Systematik und uneinheitliche Terminologie, die den Text für Polizeibeamte und Bürger kaum mehr nachvollziehbar machten.
» Stellungnahme von Prof. Aden, Professur für Öffentliches Recht und Europarecht, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (PDF)