Datum: 30. Mai 2011

PM 2011-168: Bessert die Koalition das Polizeigesetz nach? – Kein Thema im Juni-Innenausschuss, Beschluss damit frühestens im Herbst

Die CDU/FDP-Koalition bessert anscheinend ihren Entwurf für das neue Polizeigesetz nach. Da der Gesetzentwurf auf der Einladung zur Sitzung des Innenausschusses Anfang Juni fehlt, kann er erst nach der Sommerpause behandelt werden.
"Das wäre ein Sieg der Vernunft", freut sich Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag.
"Hat die Koalition nach der vernichtenden Kritik der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung eingesehen, dass ihr Entwurf sowohl an erheblichen handwerklichen Mängeln und als auch an Verfassungsproblemen leidet?"
"Gute Polizeiarbeit und effektive Gefahrenabwehr brauchen klare, handhabbare Regelungen statt ‚Gummiparagraphen‘. Nach dem Entwurf der Koalition sollen weit im Vorfeld von konkreten Gefahren ohne Anlass weitreichende Eingriffe gegenüber Bürgerinnen und Bürgern möglich sein. Dies würde die konkrete Gefahrenabwehr in der polizeilichen Praxis nicht verbessern, greift aber bereits in die Grundrechte ein."
"Insbesondere die Regelung zur erleichterten Durchsuchung von Wohnungen im sächsischen Polizeigesetz muss vom Tisch", so Lichdi. "Eine Regelungslücke besteht nicht. Bereits nach aktueller Rechtslage kann eine Wohnung durchsucht werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dort ein Entführungsopfer festgehalten wird. Die Regelung zur Einführung des automatischen Kfz-Kennzeichenscanning muss aufgrund ihrer Grundrechtsrelevanz ebenfalls einer Erforderlichkeitsprüfung unterzogen werden."
"Außerdem muss bei polizeilichen Datenbanken die notwendige Transparenz hergestellt und gesetzlich Umfang, Art, Zugriffsberechtigung und Löschung geregelt werden", verlangt der Abgeordnete.

Hintergrund:
In der Anhörung zum Gesetzentwurf am 12. Mai hatten die Sachverständigen harsche Kritik geübt. Neben handwerklichen Mängeln (uneinheitliche Terminologie, fehlende Lesbarkeit und Verständlichkeit der hochkomplexen Regelungen) wurde auch auf die fehlende Funktionalität der Regelung zum Alkoholkonsumverbot hingewiesen.
Zum Beispiel wies Prof. Ullrich Stephan, Ministerialdirigent und Abteilungsleiter im Justizministerium Baden-Württemberg a.D., in der Anhörung darauf hin, dass die Polizei bei öffentlichen Saufgelagen bereits jetzt eingreifen kann, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Auch eine Polizeiverordnung erspare in der Praxis der Polizei nicht die Bewertung, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliege.
Nachbesserungsbedarf wurde auch bezüglich der beabsichtigen neuen Befugnisse für die Polizei angemahnt. Neben Fragen, ob parallel zu den bereits bestehenden Durchsuchungsmöglichkeiten nach der Strafprozessordnung eine weitere Erleichterung erforderlich ist, wurden präzisierende Regelungen zur Kfz-Kennzeichenerfassung gefordert.
Die Professoren Hartmut Aden und Clemens Arzt konstatierten, dass die zu schaffende Rechtsgrundlage für polizeiliche Verbunddateien nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Es reiche nicht aus, in geheimen, sog. Errichtungsanordnungen der Polizei zu regeln, welche Arten von Daten von Bürgerinnen und Bürgern wie lange polizeilich gespeichert werden können, wer Informationen einstellen und abrufen kann. Diese Kriterien sind im Gesetz zu regeln.