Datum: 14. Juni 2011

PM 2011-190: Hartz-IV-Missbrauch? – Anzeigeverhalten der Jobcenter ist willkürlich

Zu Meldungen über den Verdacht des Anstiegs von Hartz-IV-Missbrauch (LVZ/DNN, 14.06.) verweist der Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn (GRÜNE) auf die Ergebnisse seiner Kleinen Anfrage zum Anzeigeverhalten von Jobcentern gegenüber Leistungsempfängern (Drs 5/5436).
"Das Anzeigeverhalten der Jobcenter ist von Willkür geprägt", so Jennerjahn, der auch arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist. "Laut Aussagen der Staatsregierung liegen dem Anzeigeverhalten bei tatsächlichem oder vermeintlichem Leistungsmissbrauch der Jobcenter keine objektiven Kriterien zugrunde."
"Allein das Jobcenter Dresden hat mehr als 50 Prozent der sächsischen Fälle produziert. Offenkundig findet auch keine Einzelfallprüfung dazu statt, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt oder ob eine fälschlich gezahlte Leistung durch Mitwirkung des Empfängers wieder korrigiert wurde."
"Die gegenwärtige Praxis der Jobcenter schadet allen: Sie kriminalisiert Leistungsempfänger, produziert eine Vielzahl unnötiger juristischer Vorgänge und stellt nicht zuletzt auch die Seriosität der Arbeit der Jobcenter in Frage. Dringend geboten wären die Einführung von Bagatellgrenzen, unterhalb derer keine Anzeige erstattet wird. Ein Ombudsystem, das auf einzelne Fälle eingeht, könnte zudem die Gerichte massiv entlasten." » Kleine Anfrage Miro Jennerjahn ‚Anzeige des Jobcenter Leipzig wegen Betruges nach Unterhaltsvorschusserhöhung‘ (Drs 5/5436) Hintergrund:
Anlass für die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Jennerjahn war der Fall eine Leipziger Leistungsempfängerin, gegen die das Jobcenter Anzeige wegen Betrugs erstattet hatte. Die Betroffene hatte Anfang 2010 eine Erhöhung ihres Unterhaltszuschusses erhalten, dies allerdings ohne schriftlichen Bescheid. Sie ging deshalb von der Rechtmäßigkeit der Regelung aus. Im Sommer 2010 stellte das Jobcenter fest, dass die Leistungsempfängerin aufgrund der genannten Erhöhung zu viel Geld erhalten hatte. Auf Initiative der Empfängerin hin wurde eine Ratenzahlung zur Abtragung des Betrages vereinbart.
Ende des vergangenen Jahres erhielt sie gleichwohl eine Anzeige des Jobcenters wegen Betrugs. Im März dieses Jahres folgte der Strafbefehl, mit dem sie ohne Eintragung ins polizeiliche Führungsregister als vorbestraft gilt.