Datum: 25. Juli 2011

PM 2011-240: Handydaten-Skandal: Hundertmal mehr Bestandsdaten erhoben als bisher zugegeben

Zum Eingeständnis der Staatsregierung, dass bisher das hundertfache der bisher eingeräumten Menge an Namen und Adressen von Telefonanschlussinhabern ermittelt worden sei, nämlich 40.732 statt ca. 400, erklärt Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
"Trotz zahlreicher Nachfragen in den Sondersitzungen des Rechts- und Verfassungsausschusses des Landtags hat die Staatsregierung diese Dimension der Überwachung bisher verschwiegen. Die Minister Markus Ulbig (CDU) und Dr. Jürgen Martens (FDP) haben damit den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit verspielt. Sie haben das Ausmaß der Grundrechtseingriffe immer noch nicht begriffen. Offensichtlich dauert die Ermittlung von Bestandsdaten derzeit an."
"Im Übrigen hat Justizminister Dr. Martens meine Fraktionskollegin Eva Jähnigen offenbar falsch informiert. Im Gegensatz zum Bericht der "tageszeitung" vom Samstag, 23. Juli 2011 behauptete er in der Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drs. 5/6191), dass 2010 anlässlich von Demonstrationsgeschehen keine Funkzellenabfrage stattgefunden habe."
Die Sächsische Polizei macht sich eine Lücke im Gesetz zu Nutze: Während die Abfrage von Verkehrsdaten (Funkzellenabfrage) wenigstens dem Richtervorbehalt unterliegt, kann die Polizei ohne jede weitere Hürde die Namen und Adressen der ermittelten Telefonnummern nach Paragraf § 112 Telekommunikationsgesetz bei den Anbietern abfragen.
"Ich habe deshalb bereits am 4. Juli 2011 die Einführung eines Richtervorbehalts für eine Bestandsdatenabfrage gefordert. Es ist angesichts der Tiefe des Grundrechtseingriffs ein Wertungswiderspruch, die Funkzellenabfrage einem Richtervorbehalt zu unterwerfen, die wesentlich eingreifendere Bestandsdatenabfrage aber nicht. Leider sieht das Eckpunktepapier von Justizminister Dr. Martens dies nicht vor." » Kleine Anfrage " Erhebung von Telekommunikationsdaten anlässlich von Demonstrationsgeschehen in Sachsen" (Drs. 5/6191) » Eckpunkte zur Strafprozessordnungs-Novelle – Konsequenzen aus Handy-Affäre: Eckpunkte zur Einschränkung der Erhebung und Verwendung von Mobilfunkverbindungsdaten