PM 2011-245: Schulen in Sachsen werden zunehmend zu Verschiebebahnhöfen für Lehrer
In einer Woche beginnt für 32 800 Schulanfänger der Unterricht. "Die Eltern erwarten, dass ihre Kinder von qualifizierten Fachkräften unterrichtet werden, doch die Schulen in Sachsen werden zunehmend zu Verschiebebahnhöfen für Lehrer“, stellt Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, besorgt fest.
Wie aus mehreren kleinen Landtagsanfragen hervorgeht, setzt das Kultusministerium zunehmend auf die Strategie >>schulartübergreifende Abordnung<<, um den Lehrerbedarf an einzelnen Schularten zu decken. In den letzten drei Schuljahren wurden zahlreiche Lehrer nicht ihrer Ausbildung entsprechend eingesetzt – im beiderseitigen Einvernehmen wie das Ministerium betont.
„Dramatisch ist die Situation an den sächsischen Grundschulen“, so Giegengack. „Obwohl sich die Zahl der Abordnungen an die Grundschulen in den letzten drei Jahren versechsfacht hat, ist die Anzahl der an Grundschulen tätigen Lehrer weiter gesunken. Demgegenüber verzeichnen die Grundschulen jedoch seit Jahren einen Schülerzuwachs. Hier besteht dringender Handlungsbedarf." Der überwiegende Teil der abgeordneten Lehrer kommt von Förderschulen, aber auch Mittelschul- und Gymnasiallehrer unterrichten mittlerweile an Grundschulen.
„Die ersten Schuljahre sind entscheidend für den weiteren Bildungsweg der Kinder. Schulanfänger erfolgreich zu unterrichten, setzt bestimmte Qualifikationen voraus. Nicht umsonst gibt es in allen Bundesländern einen eigenen Lehramtsstudiengang Grundschule“, stellt Giegengack fest.
„Kultusminister Roland Wöller muss erklären, wieso für ihn die Unterschiede bei der Qualifikation der Lehrer so groß sind, dass sie sogar verschiedene Gehaltsstufen rechtfertigen, bei Abordnungen diese Besonderheiten jedoch keine Rolle mehr spielen“, fordert Giegengack.
„Die Zunahme von integrativ beschulten Kindern mit Behinderung kann kein Argument sein, für die mehr als 1000 Abordnungen von den Förderschulen an die Grundschulen. Der Anteil von Kindern mit Behinderung, die an Grundschulen unterrichtet werden, ist in den letzten drei Jahren nur um 0,5 Prozent gestiegen. Bereits im letzten Schuljahr konnte der Grundbereich in den Förderschulen nicht mehr abgedeckt werden. Hier weitere Lehrer abzuziehen, um in anderen Schulen Löcher zu stopfen, ist nicht der richtige Weg“, gibt Giegengack zu bedenken.
Hintergrund:
» Zahlen zu Abordnungen (Tabelle)
Kleine Anfragen der Landtagsabgeordneten Annekathrin Giegengack:
» Dr. 5/6091 „Abordnung / Einstellung von Lehrkräften an Grundschulen“
» Drs. 5/6089 „Abordnung / Einstellung von Lehrkräften an Förderschulen
» Drs. 5/6090 „Abordnung / Einstellung von Lehrkräften an Mittelschulen“