Datum: 11. August 2011

PM 2011-248: Sächsischer Polizeieinsatz in Thüringen – GRÜNE: Sensibel wie ‚die Axt im Walde‘

Wie weit der Verfolgungseifer sächsischer Strafverfolgungsbehörden wegen vermeintlicher Straftaten am 19. Februar 2011 mittlerweile geht, zeigt nach Meinung Johannes Lichdis, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, die heutige Durchsuchung der Diensträume und der Wohnung des Stadtjugendpfarrers Lothar König in Jena durch die sächsische Polizei.
"Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden ist sensibel wie ‚die Axt im Walde‘ – und jetzt auch noch außerhalb von Sachsen. Ich erwarte umfassende Erklärungen zu diesen Ermittlungsmaßnahmen von den zuständigen Ministern im Rechts- und Innenausschuss des sächsischen Landtags. Es ist für mich unvorstellbar, dass Stadtjugendpfarrer König schwere Straftaten begangen hat", erklärt Lichdi. "Ich habe großes Verständnis dafür, dass dieses Vorgehen in Thüringen helle Empörung auslöst. Dass zudem Thüringer Landtagsabgeordneten jegliche Auskünfte verweigert werden, offenbart einmal mehr, wie intransparent sächsische Strafverfolgungsbehörden agieren."
"Sollte die Thüringer Polizei von den sächsischen Behörden tatsächlich nicht informiert worden sein, liegt zudem ein Verstoß gegen das Thüringer Polizeiorganisationsgesetz vor, das eine Unterrichtungspflicht der örtlich zuständigen Polizeibehörden vorsieht, wenn Polizeibeamte anderer Länder in Thüringen Strafverfolgung betreiben. Das ist mindestens ein ‚unfreundlicher Akt‘."

Hintergrund:
§ 11 Thüringer Polizeiorganisationsgesetz: Dienstkräfte anderer Länder, des Bundes und anderer Staaten
(1) Die Anforderung polizeilicher Dienstkräfte anderer Länder und des Bundes zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder des Landes ( Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes) ist dem Ministerpräsidenten vorbehalten.
(2) Polizeiliche Dienstkräfte eines anderen Landes dürfen, außer im Fall des Artikels 91 des Grundgesetzes, in Thüringen polizeiliche Aufgaben wahrnehmen:
1.
vorübergehend in Einzelfällen auf Anforderung oder mit Zustimmung des für die Polizei zuständigen Ministeriums, insbesondere zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall ( Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes),
2.
zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung Entwichener, wenn die zuständige Polizei die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann,
3.
zum Gefangenentransport,
4.
in den durch Verwaltungsabkommen mit einem anderen Bundesland geregelten Fällen auf dem Gebiet der Strafverfolgung, der Erfüllung polizeilicher Verkehrsaufgaben und, sonstiger polizeilicher Zusammenarbeit.
(3) Polizeiliche Kräfte des Bundes dürfen, soweit nicht bereits eine bundesrechtliche Zuständigkeit besteht, im Einzelfall in Thüringen polizeiliche Aufgaben wahrnehmen:
1.
zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, wenn Thüringer Polizei nicht rechtzeitig ausreichend zur Verfügung steht;
2.
auf Anforderung oder mit Zustimmung des für die Polizei zuständigen Ministeriums.
(4) Werden polizeiliche Dienstkräfte eines anderen Landes oder des Bundes nach den Absätzen 2 oder 3 tätig, haben sie die gleichen Befugnisse wie die Thüringer Polizei. Ihre Maßnahmen gelten als Maßnahmen derjenigen Polizeibehörde oder Einrichtung, in deren örtlichem und sachlichem Dienstbereich sie tätig geworden sind; sie unterliegen insoweit deren Weisungen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 und 4 und Absatz 3 Nr. 1 ist die zuständige Polizeidienststelle unverzüglich zu unterrichten.
(5) Die Absätze 2 und 4 Satz 1 und 2 gelten für Bedienstete ausländischer Polizeibehörden und -dienststellen entsprechend, soweit völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder das für die Polizei zuständige Ministerium Amtshandlungen dieser Polizeibehörden oder -dienststellen allgemein oder im Einzelfall zustimmt. Die Bestimmungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen bleiben unberührt.