Datum: 17. August 2011

PM 2011-254: Bildungsmonitor – Es ist nicht alles Gold, was glänzt

"Dem guten Abschneiden Sachsens beim bundesweiten Benchmarking im Bereich Bildung muss Respekt gezollt werden, auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt", kommentiert Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion im Landtag den gestern veröffentlichten Bildungsmonitor 2011.
Sachsen belegte bei dem vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln durchgeführten Vergleich bildungsökonomischer Ziele in vielen Bereichen vordere Plätze.
"Beim Vergleich der Bildungssysteme der Länder wurden jedoch überwiegend quantitative Kriterien aus dem Jahr 2009 herangezogen, wie Bildungsausgaben, Betreuungsgrade und Abschlussquoten. Hinsichtlich der Bildungsqualität ist das Urteil des Instituts mit Vorsicht zu genießen", warnt Giegengack.
"Obwohl das Institut einräumt‚ vor allem bei der Beurteilung der qualitativen Kriterien von Bildung an die Grenzen der Messbarkeit gestoßen zu sein, attestiert es Sachsen höchste Schulqualität und exzellente Voraussetzungen für eine individuelle Förderung. Das widerspricht den differenzierteren  Ergebnissen, die das Sächsische Bildungsinstitut bei seiner eigenen Evaluation sächsischer Grund-, Mittelschulen und Gymnasien vorgelegt hat", erläutert die Bildungspolitikerin.
So stellte das dem Kultusministerium zugehörige Sächsische Bildungsinstitut in seinem Ergebnisbericht "Externe Schulevaluation" 2009 fest, dass es den sächsischen Schulen größtenteils nicht gelänge, alle Schüler gleichermaßen gemäß ihrem Leistungspotenzial zu fordern und zu fördern. Auch die Qualität der Differenzierung innerhalb des Unterrichts an den sächsischen Schulen wäre alarmierend. Der Unterricht wäre an der Mehrzahl der Schulen nicht im ausreichenden Maße flexibel und variabel, auch würde der Anwendungsbezug der Unterrichtsinhalte nicht hinreichend herausgearbeitet. Besonders Schüler weiterführender Schulen hätten Defizite bei Lern- und Methodenkompetenzen, Recherchetechniken und Analysefähigkeiten.
"Vielleicht dämpft dieses Urteil etwas die Begeisterungsstürme von Bildungsminister Roland Wöller (CDU) über das gute Abschneiden Sachsens beim Bildungsmonitor 2011, immerhin kommt die Kritik aus seinem eigenen Haus", so Giegengack. 
Hintergrund:
Auszüge aus dem Ergebnisbericht "Externe Schulevaluation des Sächsischen Bildungsinstituts von 2009"
Unterrichtsqualität Gymnasien
Einen deutlichen Handlungsschwerpunkt zeigen die Bewertungen der Gymnasien bei dem Indikator Differenzierung. Die überwiegende Anzahl der Schulen erhielt hier das Qualitätsurteil eher niedrig. Dies zeigt, dass es den Lehrern kaum gelingt, die Darstellungsweise im Unterricht an die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler anzupassen. Auch die Bewertungen bei dem Kriterium Förderung von Anwendungsbezug weisen auf Handlungsbedarf hin. So gelingt es an mehr als der Hälfte der evaluierten Schulen beispielsweise nur zum Teil, im Unterricht Situationen zu schaffen, in denen die Schüler erkennen, welchen Bezug die Inhalte zum eigenen Leben haben. Auch die Gesamtbewertung bei dem Kriterium Förderung intrinsischer Motivation macht Handlungsbedarf deutlich. Dieser manifestiert sich in den Qualitätsurteilen der Schulen bezüglich der Indikatoren Interesse wecken, Stimulierung und Autonomieunterstützung. Den Lehrern an den Gymnasien gelingt es demnach nur zum Teil, das Interesse der Schüler beispielsweise über einen Ausblick auf den Stundenverlauf zu wecken. Anregung der Schüler zur Selbstbestimmung und der selbstständigen Arbeit, beispielsweise durch die eigenständige Erschließung neuer Lernbereiche und die Möglichkeit zur Kooperation werden zu wenig gegeben.
…Handlungsbedarf zeigt sich jedoch deutlich bei der Bewertung des Indikators Binnendifferenzierung. Sowohl die Auswertung der Lehrer- als auch der Schülerbefragungen ergaben eine defizitäre Bewertung. Dies zeigt, dass es an den Gymnasien kaum gelingt, alle Schüler gleichermaßen gemäß ihrem Leistungspotenzial zu fördern und der unterschiedlichen Leistungsstärken gerecht zu werden.“ S.54f
Unterrichtsqualität Mittelschulen
Aber das Merkmal Lehr- und Lernprozesse bietet auch viele Ansatzmöglichkeiten zur Verbesserung der schulischen Qualität. So zeigen die Schulen bei einigen Indikatoren der Kriterien Aufrechterhalten von Aufmerksamkeit und Förderung von Verstehen Handlungsbedarf auf. Den Lehrern gelingt es nur partiell, die Interessen und Erfahrungen der Schüler in den Unterricht einzubeziehen. Auch die Bewertungen für den Indikator Variabilität weisen Defizite auf. Die Lehrer sind nur teilweise in der Lage, Unterrichtsmethoden und Sozialformen in den Phasen des Unterrichts zu variieren. Der Unterricht fördert außerdem insgesamt zu wenig die kritische Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten. Deutlicher Handlungsbedarf zeigt sich bei dem Indikator Differenzierung. Es gelingt an den meisten Schulen nicht in ausreichendem Maße, die Darstellungsweise innerhalb des Unterrichts an die Voraussetzungen der Schüler und das jeweilige Anforderungsniveau anzupassen. Auch wird der Anwendungsbezug im Unterricht zu wenig herausgearbeitet. Im Unterricht werden oft zu wenige Situationen geschaffen, in denen die Schüler erkennen, wie wichtig die vermittelten Inhalte sind. Der Nutzen und die Relevanz der Lerninhalte für das eigene Leben werden zu wenig deutlich. Die Bewertungen bei dem Kriterium Förderung intrinsischer Motivation zeigen ebenfalls Handlungsbedarf an den Schulen auf. Dies korrespondiert mit den dargestellten Ergebnissen zur intrinsischen Motivation bei dem Kriterium Lernkompetenz. Hier bestehen seitens der Unterrichtsführung an vielen Schulen Defizite bei der Stimulierung, der Autonomieunterstützung und Selbstkonzeptstärkung der Schüler. Handlungsbedarf haben die Mittelschulen auch bei dem Indikator Interesse wecken. Die Bewertungen der Schulen beim Kriterium Förderung der intrinsischen Motivation machen deutlich, dass es an den Schulen nur teilweise gelingt, einen Ausblick auf den Verlauf der Stunde zu geben und konkrete Lernziele zu formulieren. Die Schüler erhalten zudem oftmals zu wenig Anregungen, sich auch außerhalb des Unterrichts mit der behandelten Thematik zu beschäftigen und miteinander zu kooperieren. Auch das selbstständige Arbeiten der Schüler wird im Unterricht nur teilweise unterstützt. Die Bewertungen des Indikators Selbstkonzeptstärkung zeigen, dass beispielsweise Lernerfolge an vielen Schulen zu wenig anerkannt werden und Kritik nicht immer konstruktiv und entwicklungsfördernd eingesetzt wird.

… Allerdings zeigen die Qualitätsurteile Handlungsbedarf bei der Binnendifferenzierung. An den Mittelschulen gelingt es größtenteils nicht, alle Schüler gleichermaßen gemäß ihrem Leistungspotenzial zu fordern und zu fördern. Dies bestätigen auch die Bewertungen für den Indikator Unterstützung leistungsstarker Schüler. (s.33f)
Unterrichtsqualität Grundschulen
Innerhalb des Kriteriums Förderung intrinsischer Motivation können die Grundschulen Stärken bezüglich des Engagements der Lehrer vorweisen. An nahezu allen Grundschulen konnten hier die Qualitätsurteile eher hoch bzw. hoch erreicht werden. Dies macht deutlich, dass die Pädagogen ihre Begeisterung für den Beruf und die zu vermittelnden Inhalte zum Ausdruck bringen. Sie zeigen beispielsweise, dass sie an der Weiterentwicklung ihrer Schüler interessiert sind.
Handlungsbedarf zeigt sich hingegen bei einigen Aspekten des Kriteriums Förderung von Verstehen. Den Lehrern gelingt es teilweise nicht, den Verstehensprozess für die Schüler zu erleichtern. So zeigen die Verteilungen der Qualitätsurteile, dass die kritische Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten noch nicht im genügenden Maße gefördert wird. Auch die Darstellungsweise der Lehrinhalte und die Unterrichtsmethoden werden an einem Großteil der Schulen nicht genügend an die Voraussetzungen der Schüler angepasst. Dies drückt die Bewertung des Indikators Differenzierung aus. Für die Verstehensprozesse innerhalb des Unterrichts spielt die Förderung des Anwendungsbezuges eine wesentliche Rolle. Auch hier kann die Unterrichtsqualität weiter verbessert werden. So gelingt es mehr als der Hälfte der evaluierten Schulen beispielsweise nicht, im Unterricht Situationen zu schaffen, in denen die Schüler selbst erkennen, welchen Bezug die vermittelten Inhalte zu ihrem realen Leben haben….
Handlungsbedarf zeigt sich hingegen bei der Unterstützung leistungsstarker Schüler und der Binnendifferenzierung. Anhand der Bewertungen wird deutlich, dass es den Schulen größtenteils nicht oder nur teilweise gelingt, alle Schüler gemäß ihrem Leistungspotenzial gleichermaßen zu fordern und fördern. Außerdem gibt es Entwicklungsbedarf bei der Unterstützung leistungsstarker Schüler. Insbesondere die Elternbefragung zeigt, dass aus ihrer Sicht diesen Schülern nicht die bestmöglichen Chancen eingeräumt werden. (S.17f)