PM 2011-335: Grüne fördern konkrete Zahlen und Regelungen zu Tage: Jede zehnte Unterrichtsstunde in Gymnasien und Mittelschulen musste vertreten werden bzw. fiel ganz aus
Mit 18 kleinen und mündlichen Landtagsanfragen förderte jetzt die grüne Landtagsabgeordnete Annekathrin Giegengack in mühsamer Kleinarbeit konkrete Zahlen und Regelungen zu Vertretung und Unterrichtsausfall an den sächsischen Schulen zu Tage.
"Schule darf keine ‚black box‘ sein. Eltern haben ein Recht darauf zu erfahren, ob und wie der Unterricht an den Schulen ihrer Kinder stattfindet. Die vom Ministerium veröffentlichten Daten zum Unterrichtsausfall sagen effektiv nichts aus", so Giegengack, die bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist.
"Eltern sollten wissen, dass es keine Vorgaben zum maximalen Umfang von Unterrichtsausfall pro Klasse und Fach gibt. Findet wiederholt Unterrichtsausfall in einem bestimmten Fach statt, können sie nicht darauf vertrauen, dass ein vertretbares Maß eingehalten wird", so Giegengack weiter.
Im letzten Schuljahr musste an den sächsischen Gymnasien und Mittelschulen jede zehnte Unterrichtsstunde vertreten werden bzw. fiel ganz aus.
An den Gymnasien gab es mit einer Vertretungsquote von im Durchschnitt 65 Prozent den geringsten Unterrichtsausfall. Aufgrund der großen Lehrerkollegien gelang es hier auch vergleichsweise gut, den nicht planmäßig stattfindenden Unterricht sogar fachgerecht zu vertreten. Nur in Ethik, Musik und Sport fiel über die Hälfte des nicht planmäßig stattfindenden Unterrichts tatsächlich aus.
An Mittelschulen fiel erheblich mehr Unterricht aus als an Gymnasien. Insbesondere in Chemie, Ethik, Gemeinschaftskunde, Musik, Sport, WTH und zweiter Fremdsprache wurde noch nicht einmal die Hälfte der Stunden vertreten, wenn der entsprechende Fachlehrer krank war oder z.B. mit anderen Schülern auf Klassenfahrt ging. Da die Lehrerkollegien in der Regel kleiner sind als an Gymnasien erfolgte die Unterrichtsvertretung an Mittelschulen häufiger in einem anderen Fach.
Erschreckend hoch war der Unterrichtsausfall an den Förderschulen. Über die Hälfte des Unterrichts, der wegen Krankheit der Lehrkraft oder aus anderen Gründen nicht planmäßig stattfinden konnte, fiel hier aus. Aufgrund des Lehrermangels an Förderschulen wurde im letzten Schuljahr in den Fächern Gemeinschaftskunde und Ethik von vornherein Unterrichtsausfall eingeplant. Tatsächlich fiel in diesen beiden Fächern bis Schuljahresende mehr als doppelt soviel Unterricht aus wie geplant, 16 Prozent des Gemeinschaftskundeunterrichts und 18 Prozent des Ethikunterrichts. Nur in Mathe, Deutsch, Hauswirtschaft und Technik wurden in den Förderschulen Vertretungsquoten erreicht, wie sie an anderen Schultypen üblich sind.
Auch die Grundschulen hatten zu kämpfen. Der Vergleich der einzelnen Unterrichtsfächer zeigt, an den Grundschulen wurden ganz klar Prioritäten gesetzt, wenn der Unterricht nicht wie geplant stattfinden konnte. Während die Fächer Mathe, Deutsch und Sachkunde überwiegend und fachgerecht vertreten wurden, fiel hingegen der Unterricht in Englisch, Ethik, Kunst, Musik und Werken zur Hälfte aus, wenn der entsprechende Fachlehrer nicht da war.
Beim gestiegenen Unterrichtsausfall an sächsischen Schulen im letzten Schuljahr verweist das Ministerium immer wieder auf die nicht planbaren Ereignisse wie den Tornado in Großenhain oder den Kälteeinbruch im Dezember 2010. Die Statistik zu den Ausfallgründen und die großen Unterschiede in den Ausfallquoten einzelner Fächern beweisen jedoch, dass nicht das Wetter sondern der Mangel an bestimmten Fachlehrern die Hauptursache für den Unterrichtsausfall darstellt. Fiel der einzige Musik-, Ethik- oder Gemeinschaftskundelehrer aus, hatten es die Schulen schwer, dies zu kompensieren.
"Über viele Regelungen wissen Eltern gar nicht Bescheid. So gibt es weder eine Grenze wie viel Schüler in einer Klasse zusammengelegt werden können, noch wie lange ein solcher Zustand anhalten darf. Offiziell gilt Unterricht in zusammengelegten Klassen auch als <<vertretener Unterricht>>."
"Absolut nicht nachvollziehbar sind die Regelungen zur sogenannten Stillbeschäftigung", kritisiert die Abgeordnete. "Ist eine Klasse eine Stunde sich selbst überlassen und muss eine schriftliche Aufgabe erledigen, gilt dies als vertretener Unterricht, je nach Aufgabenstellung als Vertretungsstunde in einem anderen Fach oder als fachgerecht vertretene Unterrichtsstunde."
"Eltern, die für ihre Kinder eine Schule suchen, die Förderunterricht anbietet oder Kinder mit Behinderung integrativ beschult, sollten sich vorher genau informieren, ob die Schule dieses Angebot auch tatsächlich vorhalten kann. Der Ausfall von Förderunterricht oder Integrationsstunden für Kinder mit Behinderung ist nicht geregelt und wird nicht erfasst."
"Eltern sind für die Schule die wichtigsten Partner. Deshalb braucht gute Schule das Engagement, die Verantwortungsbereitschaft und das vertrauensvolle Miteinander von Lehrern, Schülern und Eltern", so Minister Wöller im Vorwort zur Handreichung für Elternvertreter an sächsischen Schulen. "Die Informationspolitik zum Unterrichtsausfall an sächsischen Schulen ist jedoch alles andere als vertrauensbildend. Man hat vielmehr den Eindruck, das Ministerium will das tatsächliche Ausmaß an Unterrichtsausfall verschleiern", so Giegengack.
Kleine Anfragen der Landtagsabgeordneten Annekathrin Giegengack (GRÜNE):
» Drs. 5/2260 Vertretung von Unterricht bei Ausfall
» Drs. 5/2261 Aufteilung von Klassen bei Ausfall
» Drs. 5/6111 Regelungen zum Unterrichtsausfall
» Drs. 5/6717 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Mathe, Deutsch)
» Drs. 5/6718 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Religion/ Ethik, Englisch)
» Drs. 5/6719 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Sport)
» Drs. 5/6720 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen Biologie, Chemie)
» Drs. 5/6721 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Sachkunde, Kunst/Musik/Werken)
» Drs. 5/6722 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Geographie, Geschichte)
» Drs. 5/6723 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Physik, Informatik, Technik/Computer)
» Drs. 5/6724 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Gemeinschaftskunde, Recht/Wirtschaft)
» Drs. 5/6725 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Musik, Kunst)
» Drs. 5/6726 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (WTH, Hauswirtschaft/Arbeitslehre)
» Drs. 5/6727 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (zweite Fremdsprache)
» Drs. 5/6728 Unterrichtsausfall allgemeinbildende Schulen (Förder- und Integrationsstunden)
» Drs. 5/6731 statistische Erfassung von Unterrichtsausfall