Datum: 19. Oktober 2011

PM 2011-342: Extremismus überall? – GRÜNE: Gesinnungs-TÜV umfassender eingesetzt als bislang bekannt

Die so genannte ‚Demokratieerklärung‘ kommt in Sachsen in weit größerem Maße zum Einsatz, als bislang bekannt. Das ergab eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Miro Jennerjahn (GRÜNE) an die Staatsregierung.
Laut Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) wird die Demokratieerklärung bei sechs Förderprogrammen abverlangt – etwa bei Fußball-Fanprojekten und der Förderung aktiver Teilnehmer am ‚Tag der Sachsen‘. Bei zwei weiteren Förderprogrammen erfolge die Anwendung nach Prüfung im Einzelfall.
"Erschreckend ist die offenbar herrschende Willkür", kritisiert Miro Jennerjahn, demokratiepolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag. "Zudem sind die Aussagen des Innenministers widersprüchlich."
So hatte Minister Ulbig in seiner Antwort angegeben, der Einsatz der Demokratieerklärung erfolge im Rahmen von Förderrichtlinien deren primärer Förderzweck Demokratiestärkung und/oder Extremismusbekämpfung bzw. -prävention ist. "In drei der sechs benannten Förderrichtlinien mit grundsätzlichem Einsatz der Demokratieerklärung ist dies aber kaum erkennbar."
"In sieben von acht Förderrichtlinien werden die Antragsteller mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass eine so genannten Demokratieerklärung abzugeben ist", so der Abgeordnete. "Einzig in der Förderrichtlinie für das Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen‘ ist dies festgeschrieben. Hier hat jedoch das Gutachten des Juristischen Dienstes des Sächsischen Landtags eindeutig festgestellt, dass eine Förderrichtlinie keine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt, da die Demokratieerklärung gegen Grundrechte der Antragsteller verstößt."
"Die Selbstherrlichkeit der Staatsregierung spottet jeder Beschreibung", so Jennerjahn. "Sie bemüht sich noch nicht einmal darum, in den Förderrichtlinien eine rechtliche Grundlage für den Einsatz der Erklärung zu schaffen. Innenminister Ulbig blamiert sich nunmehr fast ein Jahr mit diesem Thema. Es wird Zeit, dass er von diesem Projekt Abstand nimmt." » Fragestunde der 43. Sitzung des Sächsischen Landtags am 13.10.2011 (Drs 5/7120, Frage Nr. 8), Anfrage des Abgeordneten Miro Jennerjahn (GRÜNE) ‚Einsatz der sog. Demokratie-Erklärung in Fördermittelprogrammen … ‚

Hintergrund:
In der 43. Sitzung des Sächsischen Landtags am 13. Oktober 2011 hatte der GRÜNE Abgeordnete Miro Jennerjahn eine Mündliche Anfrage an die Staatsregierung über den Einsatz der Demokratieerklärung gerichtet. Der Wortlaut der Fragen:

1. In welchen konkreten Fördermittelprogrammen des Freistaates Sachsen wird die sogenannte Demokratie-Erklärung abverlangt.
2. Nach welchen objektiven Kriterien bemisst sich die Auswahl der Fördermittelprogramme, bei denen die sogenannte Demokratie-Erklärung abverlangt wird?
Nach Angaben der Staatsregierung wurde die Anwendung der Demokratie-Erklärung in folgenden sechs Fällen vorgeschlagen bzw. bereits umgesetzt:

  • Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Förderung von Maßnahmen für das Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘ (FördRL WOS)
  • Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Förderung von Maßnahmen für das Landesprogramm zum ‚Begleiteten Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene‘ (RL Apro)
  • Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Förderung von Fanprojekten (FördRL Fanprojekte)
  • Richtlinie der Sächsischen Staatskanzlei über die Förderung aktiver Teilnehmer am ‚Tag der Sachsen‘
  • Richtlinie der Sächsischen Staatskanzlei zur Förderung von Maßnahmen für die Bewältigung des demografischen Wandels (FRL Demografie)
  • Gemeinsame Richtlinie der Sächsischen Staatskanzlei und des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa zur Förderung der interregionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wie des Europagedankens

In den beiden folgenden Richtlinien komme die Anwendung der Demokratieerklärung nach Prüfung im Einzelfall zur Anwendung:

  • Richtlinie des SMK zur Förderung von aus dem Europäischen Sozialfonds mitfinanzierten Projekten im Geschäftsbereich des SMK (SMK-ESF-Richtlinie)
  • Richtlinie des SMK zur Förderung von Heimatpflege und Laienmusik (FRL Heimatpflege/Laienmusik)