PM 2012-081: Landtagsfraktionen legen neues Gedenkstättengesetz vor
Die Landtagsfraktionen von CDU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben ein neues Gedenkstättengesetz vorgelegt. Mit der Novellierung wird das Ziel verfolgt, die verlorengegangene Akzeptanz der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft bei einzelnen Opfergruppen wieder auf eine neue Basis zu stellen.
So wird der Einfluss der sächsischen Opferverbände sowie der Gedenkstätten- und Aufarbeitungsinitiativen auf die Arbeit des Stiftungsrates mit dem neuen Gesetzentwurf gestärkt. Die institutionelle Förderung der Stiftung wird auf weitere Gedenkstätten ausgedehnt und der Bildungsauftrag gesetzlich festgelegt. Darüber hinaus werden die wesentlichen Diktaturformen des Nationalsozialismus und des Kommunismus, insbesondere der SED-Diktatur, sowie deren Verbrechen genau benannt und klar unterschieden. In einer Präambel wird die Singularität des Holocaust, des systematischen, auf völlige Vernichtung abzielenden Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung, unterstrichen. Ebenso werden die Bedeutung und Verletzbarkeit der Menschenwürde als zentraler Bezugspunkt einer an demokratischen Werten orientierten Erinnerungskultur formuliert.
Ein Novellierungsbedarf besteht, da das seit 2003 geltende Gedenkstättenstiftungsgesetz aufgrund seiner begrifflichen Unklarheiten für erhebliche Irritationen gesorgt hat. Durch den Verzicht auf eine klare Benennung der grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Verbrechen des Nationalsozialismus und den Verbrechen der SBZ/SED-Diktatur hatte sich das Gesetz dem Vorwurf der Analogisierung von NS-Diktatur und SED-Diktatur ausgesetzt und eine Kontroverse zwischen den Opferverbänden begünstigt. Deshalb hatten der Zentralrat der Juden und weitere Verbände von NS-Opfern 2004 ihre Mitarbeit in der Stiftung Gedenkstätten unter Protest beendet. Seitdem war es nicht gelungen, zwischen den Opfergruppen einen Konsens über die gemeinsame Gedenkarbeit im Freistaat Sachsen herzustellen. Der Novellierung war ein jahrelanges Bemühen um eine neue gesetzliche Basis für die Stiftung vorausgegangen. Fast alle Opfergruppen sowie Gedenkstätten- und Aufarbeitungsinitiativen hatten in den vergangenen zwei Jahren unter der Leitung des ehemaligen Staatssekretärs Dr. Albin Nees an den gesetzlichen Grundlagen der Stiftung gearbeitet.
Zur Novellierung des Gedenkstättengesetzes erklären:
Prof. Dr. Günther Schneider (CDU): "Unsere gemeinsame Hoffnung ist, dass wir mit dem neuen Gedenkstättengesetz den Anliegen sämtlicher Opfergruppen sowie Gedenkstätten- und Aufarbeitungsinitiativen stärker gerecht werden als es mit dem bisherigen Gesetz der Fall war. Formulierungen, die mit nivellierenden Wertungen verbunden sein können, sind konsequent vermieden worden. Weder dürfen nationalistische Verbrachen relativiert, noch darf das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert werden."
Nico Tippelt (FDP): "Es ist geradezu unsere Pflicht, die Erinnerung an die Vergangenheit wach zu halten und an nachfolgende Generationen weiter zu geben. Die Beteiligung aller Opfergruppen ist für eine würdige Gedenkkultur entscheidend, zumal es unter dem Dach der Stiftung Gedenkorte gibt, wie beispielsweise Torgau, an denen vor und nach 1945 politisches Unrecht begangen wurde – ohne dieses jedoch gleichsetzen zu wollen. Einerseits steht Torgau vor 1945 mit der Zentrale des Wehrmachtsstrafsystems exemplarisch für den Absturz der Zivilisation zu dieser Zeit. Andererseits saßen dort nach 1945 insbesondere in den 50er und 60er Jahren politische Gefangene der SED-Diktatur ein."
Dr. Eva-Maria Stange (SPD): "Mit dem neuen Gesetz wird eine gute Grundlage für eine Erinnerungskultur in Sachsen gelegt, die den Opfern der Verbrechen des Nationalsozialismus einerseits und denen der SED-Diktatur andererseits besser gerecht wird als bisher. Darüber hinaus erhalten die Gedenkstätten und die Stiftung einen klaren Bildungsauftrag, damit diese Verbrechen sich nicht wiederholen können."
Dr. Karl-Heinz Gerstenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): "Wir hoffen, dass der vorgelegte Entwurf auf Basis des Konsens‘ der Opferverbände die Zustimmung aller demokratischen Abgeordneten finden und entsprechende positive Auswirkungen auf die Arbeit der Stiftung und ihrer Gremien haben wird. Den Gedenkstätten kommt in der heutigen Zeit eine große Bedeutung dafür zu, das Bewusstsein der Gefährdung unserer demokratischen Strukturen wach zu halten. Für uns ist es auch wichtig, dass weitere Gedenkstätten wie die Zwangsarbeitergedenkstätte Leipzig, Sachsenburg als ein frühes KZ und der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau Eingang in die institutionelle Förderung finden."
» Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetz (PDF)