PM 2012-238: Vernichtung von Aktenteilen durch Verfassungsschutz rechtswidrig
Trotz der am Freitag vom Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission, Prof. Günther Schneider (CDU), geäußerten Meinung, die vom Verfassungsschutz im letzten halben Jahr vernichteten 5.000 Aktenteile hätten keinen NSU-Bezug, hält Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, die Aktion für rechtswidrig.
„Laut Sächsischem Verfassungsschutzgesetz dürfen Akten, in denen personenbezogene Daten gespeichert sind, nur unter der Voraussetzung vernichtet werden, dass die gesamte Akte (also nicht nur einzelne Bestandteile) nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigt werden. Bei den geschredderten Papieren wurden aber offensichtlich noch Teile der Akten benötigt, sonst wären die gesamten Akten vernichtet worden. Und die Akten wären spätestens seit Bekanntwerden der NSU-Taten (wieder) für die Aufgabenerfüllung erforderlich gewesen. Denn das Landesamt für Verfassungsschutz ist bereits aufgrund seiner eigenen Aufgaben verpflichtet, Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten. Dazu gehören auch die Auswertung und Prüfung der angefallen Informationen zum Rechtsextremismus und den dazugehörigen Personen in Sachsen sowie eventueller Bezüge zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Hinzu kommen außerdem Übermittlungspflichten bei den jetzt laufenden Ermittlungen, etwa an den Generalbundesanwalt oder die Untersuchungsausschüsse.“
„Die Vorstellung, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes seit acht Monaten unkontrolliert nach und nach Aktenteile aus ihren Akten herausnehmen und vernichten, ist unerträglich.“
„Es ist ein Skandal, dass parallel zu den Aufklärungsbemühungen rund um den ‚NSU‘ eine rechtswidrige Schredderaktion des Verfassungsschutzes stattfindet, ohne dass Innenminister Markus Ulbig (CDU) dem Einhalt gebietet. Spätestens jetzt muss er die Anweisung erteilen, dass – solange die Ermittlungen um das Terrortrio noch andauern – keinerlei Akten vernichtet werden dürfen.“
Hintergrund:
§ 7 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes (SächsVSG) regelt u.a. die Löschung und Sperrung personenbezogener Daten.
Gemäß Absatz 2 der Regelung sind personenbezogene Daten in Dateien zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Dies ist regelmäßig zu prüfen. Spätestens nach 10 Jahren bzw. in manchen Fällen nach 15 Jahren ist zu löschen, Absatz 3.
Anders bei Akten: Sind die dort enthaltenen personenbezogenen Daten nicht mehr für die Aufgabenerfüllung erforderlich, sind die Daten (nicht die Akten) zu sperren, Absatz 4. Das bedeutet, dass die weitere Verarbeitung der Daten eingeschränkt ist. In der Regel wird dazu ein sog. Sperrvermerk auf dem jeweiligen Aktenblatt angebracht. Diese Aktenblätter werden weder entfernt noch sonst unkenntlich gemacht.
Ausnahmsweise dürfen Akten, in denen personenbezogene Daten gespeichert sind, auch vernichtet werden. Dafür müssen zwei Voraussetzungen vorliegen: 1. die gesamte Akte (also nicht nur einzelne Bestandteile) darf 2. nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigt werden. Das bedeutet, dass nur ganze Akten, nicht bloß Aktenteile, vernichtet werden dürfen.
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