PM 2012-249: GRÜNE verlangen Überarbeitung der Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen – Studie vorgelegt
Zehn Jahre nach der Flut verlangt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag eine Überarbeitung der Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen. Dazu wurde heute in Dresden eine "Studie zur ökologischen Überprüfung der Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen" vom WWF-Auen-Institut (Rastatt) vorgestellt.
"Die Staatsregierung setzt viel zu stark auf technischen Hochwasserschutz", kritisiert Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion. "Dieser Schwerpunkt muss dringend hinterfragt werden. Er ist nicht nachhaltig sowie teilweise wirkungslos und überteuert. Immerhin sollen mit insgesamt zwei Milliarden Euro Investitionen in Dämme und Infrastruktur getätigt werden, die für Jahrzehnte den Naturraum in den Auen festlegen."
"Das Ziel der 49 geplanten Deichrückverlegungen ist noch lange nicht erreicht. Nur zwei kleinere Maßnahmen mit zusammen 109 von geplanten 7.500 Hektar wurden bisher verwirklicht. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob weitere Flächen für den Hochwasserschutz geeignet sind. Nutzungskonflikte wird es dabei immer wieder geben. Beim Aufschluss von Braunkohletagebauen oder dem Neubau von Autobahnen ist die Staatsregierung deutlich weniger zögerlich", wundert sich Kallenbach.
"Vorbildliche Ansätze im Hochwasserschutz, wie etwa die Ausweisung von Hochwasserentstehungsgebieten im Freistaat, werden zudem politisch konterkariert. Laut Umweltbericht der Staatsregierung wurden im Jahr 2010 immer noch 8,2 Hektar Fläche täglich neu versiegelt."
Kallenbach ruft Umweltminister Frank Kupfer zu mehr Mut bei der Bürgerbeteiligung auf. "Die jüngst ausgesprochene Drohung des Ministers ‚Wer widerspricht, bekommt kein Geld!‘, ist schlicht vordemokratisch. Ich erlebe, dass sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen und eigene gute Vorschläge für den Hochwasserschutz vor Ort machen."
Dipl.-Geoökologe Oliver Harms vom WWF-Aueninstitut des Karlsruher Instituts für Technologie forderte eine größere Beachtung der Auenökologie beim Hochwasserschutz ein.
"In der Hochwasserschutzstrategie Sachens gibt es derzeit keine Vorschläge, diesen mit einem Programm zur Auenrenaturierung zu verbinden. Dabei sind Auen für den Hochwasserschutz sowohl nachhaltiger als auch kostengünstiger als technische Bauwerke."
Zudem mahnte er an, ökologische Kriterien beim Hochwasserschutz stärker einfließen zu lassen. "Die Sächssiche Staatsregierung hat die Chance verpasst mit den gigantischen Geldmitteln für den Hochwasserschutz gleichzeitig die Auenökologie und die Biodiversität zu stärken. Dabei handelt es sich bei den sächsischen Flussauen zum großen Teil um Vogelschutz- bzw. FFH-gebiete. Auch die europäische Wasserrahmenrichtlinie ist zu beachten. Die Investitionen müssen nicht nur dem Hochwasserschutz genügen, sondern auch umwelt- und naturschutzgerecht eingesetzt werden, um eine nachhaltige Wirkung zu erreichen."
Das WWF-Auen-Institut hat ermittelt, dass deutlich größere Flächen potentiell für Deichrückverlegungen geeignet sind, als augenblicklich durch den Freistaat Sachsen geplant. Dadurch lassen sich die Deichlänge verringern und Kosten sparen. Zudem warnte Harms davor, dass einige der 49 Deichrückverlegungen inzwischen nur noch als ungesteuerte oder gesteuerte Polder ausgeführt werden sollen. "Polder-Varianten sind aus auenökologischer Sicht wenig bis überhaupt nicht geeignet, natürliche Auenflächen zu reaktivieren bzw. zu renaturieren."
» "Studie zur ökologischen Überprüfung der Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen" des WWF-Auen-Instituts (Rastatt)
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