Datum: 24. August 2012

PM 2012-263: Meldedatenhandel – Sächsische Kommunen erzielen Millioneneinnahmen

147 der 299 sächsischen Meldebehörden nahmen im Jahr 2011 etwa eine Million Euro durch Melderegisterauskünfte an Private, Parteien, Adressbuchverlage und den Mitteldeutschen Rundfunk ein. Das geht aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Lichdi (GRÜNE) hervor.
"Das wahre Ausmaß der Einnahmen durch den Verkauf von Meldedaten verschleiert Innenminister Markus Ulbig (CDU) allerdings, weil in seiner Antwort die Hälfte der Meldebehörden und die Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) fehlen", kritisiert Lichdi. "Werden die Fragen von der Staatsregierung nicht beantwortet, um den Meldedatenhandel zu decken?"
"Der Innenminister muss den Datenhandel als Problem ernster nehmen, zumal der sächsische Datenschutzbeauftragte die Meldeämter immer wieder wegen Verstößen gegen Datenschutzvorschriften rügen muss. Die gesetzlich vorgesehenen Meldepflichten der Bürgerinnen und Bürger und deren Verarbeitung durch die Meldebehörden schränken das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein (Paragraf 37, Sächsisches Meldegesetz (SächsMG)). Mit größerer Nutzerfreundlichkeit für Auskunftssuchende erhöhen sich gleichzeitig die Grundrechtseingriffe. Die durch die Datenübermittlung Betroffenen erfahren davon nichts."
"Insbesondere der Werbewirtschaft darf der Handel mit zwangsweise erhobenen Meldedaten zur Einnahmeerzielung nicht erleichtert werden. Vielmehr müssen die Meldebehörden Bürgerinnen und Bürger über ihre Widerspruchsrechte aufklären. Die Rechtslage muss endlich dahingehende geändert werden, dass Meldedaten gerade zu Werbezwecken nur dann weiter gegeben werden, wenn die Betroffenen ausdrücklich eingewilligt haben", fordert der Abgeordnete.
Die Anzahl der Widersprüche gegen die Weitergabe von Daten gibt die Staatsregierung für knapp die Hälfte der Meldebehörden mit 351.542 an. "Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass über 90 Prozent mit der Weitergabe ihrer Daten an Dritte einverstanden sind."
>>Die Beantwortung basiert auf Rückmeldungen von knapp 50 Prozent der sächsischen Meldebehörden<<, heißt es in der Vorbemerkung der Antwort auf die kleine Anfrage. Dass die Staatsregierung damit die Fragen selbst unvollständig beantwortet sieht, wird in Beantwortung der ersten Einzelfrage deutlich: >> Hinsichtlich der Aussagekraft der Daten wird auf die Vorbemerkung verwiesen.<<

Die Einnahmen der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD), die das sog. Kommunale Kernmelderegister (KKM) betreibt und seit Anfang 2009 auch Privaten und Unternehmen der Privat- und Werbewirtschaft zur Verfolgung von Eigeninteressen den erleichterten Abruf von Meldedaten wie Wohnanschriften via Internet ermöglicht, fallen bei der Beantwortung der Anfrage vollständig unter den Tisch. Dabei sei die Zahl der Auskünfte im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr laut Antwort der Staatsregierung >>deutlich gestiegen<<. Der Grund: Die Nutzerfreundlichkeit für Internetabrufe wurde im vergangenen Jahr gesteigert und die Gebühren für Auskünfte gesenkt.
» Kleine Anfrage "Einnahmen durch Handel mit Meldedaten im Freistaat Sachsen – Aktualisierung der Anfrage Drs. 5/4003" (Drs. 5/9651) » Kampagnenseite "Meine Meldedaten gehören mir!" » Gesetzentwurf GRÜNE-Landtagsfraktion "Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Meldegesetzes" (Drs. 5/1533)

Hintergrund:
Immer wieder sind Verstöße gegen Datenschutzvorschriften der Meldeämter und der SAKD Anlass für Rügen des Sächsischen Datenschutzbeauftragten. In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht weist er darauf hin, dass er bei Kontrollen der Meldebehörden immer wieder ähnliche Probleme vorfindet, z. B. die fehlende Verpflichtung der Mitarbeiter auf das Meldegeheimnis (Drs. 5/7448, S. 51). Auch beim automatischen Abruf des KKM haben unbefugte Mitarbeiter Daten abgerufen (Drs. 5/7448, S. 48f.).
Die Antwortpflicht der Staatsregierung auf Kleine Anfragen besteht, soweit ihr Verantwortungsbereich reicht. Sie bezieht sich demnach auf den Vollzug von Gesetzen durch unmittelbar nachgeordnete Behörden, aber auch durch Kommunen, soweit ihr Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten zustehen. Der Verantwortungsbereich richtet sich daher regelmäßig am Umfang der Weisungsrechte aus (vgl. Beschluss des SächsVerfGH v. 05.11.2009, Vf. 133-I-08, LS 3.b.aa – juris). Die Aufgaben der Meldebehörden nach sächsischem Meldegesetz sind Pflichtaufgaben nach Weisung (§2 Abs. 2 S. 1 SächsMG). Das Staatsministerium des Innern ist die zuständige oberste Aufsichtsbehörde der Meldeämter und des SAKD (§2 Abs. 2 S. 2 SächsMG, §4a Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Verbindung mit § 112 Abs. 1 S. 2 SächsGemO). Das fachliche Weisungsrecht ist unbeschränkt (§2 Abs. 2 S. 3 SächsMG).