PM 2012-297: Wahlrecht – GRÜNE wollen dauerhaftes Aufblähen des Landtags auf über 120 Landtagsabgeordnete verhindern
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag schlägt vor, durch eine Änderung des Landtagswahlgesetzes sicher zu stellen, dass nicht regelmäßig mehr als die in der Verfassung vorgesehenen 120 Abgeordnete in den Landtag einziehen.
Derzeit gehören 132 Mandatsträger dem Landtag an, in der vorhergehenden Wahlperiode waren es 124.
"Wer die Verfassung ernst nimmt, muss nach Wegen suchen, die Mandatszahl, wie in der Verfassung vorgesehen, auf 120 Abgeordnete im Landtag zu begrenzen", fordert Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion.
"Darum müssen wir überlegen, wie das Entstehen von Überhangmandaten, und damit die nachgelagerten Ausgleichsmandate, verhindert werden können. Legt der Landtag die Hände in den Schoß, drohen auch im Jahr 2014 wieder deutlich mehr Abgeordnete als vorgesehen in den Landtag einzuziehen. Die jüngste Rechtsprechung sieht den Gesetzgeber aber in der Pflicht, Überhangmandaten so weit wie möglich einzuschränken."
"Die GRÜNE-Fraktion schlägt daher vor, die Anzahl der Wahlkreise von derzeit 60 auf 48 zu reduzieren, die Regelgröße des Landtags von 120 Abgeordneten aber beizubehalten", erläutert die Abgeordnete.
Durch diese Regelung würde sich das Verhältnis von Direktwahlmandaten zu Listenmandaten von derzeit 50 zu 50 auf dann 40 zu 60 verändern. Wenn eine Partei dann immer noch alle 48 Direktwahlkreise gewinnen würde, müsste sie gleichzeitig deutlich unter 40 Prozent der Wählerstimmen erringen, damit Überhangmandate überhaupt entstehen würden.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Partei mit einem Zweitstimmenergebnis von deutlich weniger als 40 Prozent alle Direktwahlkreise gewinnt, ist ziemlich gering", so Jähnigen.
"Um gleichzeitig eine bessere und nicht-verzerrende Transformation des Zweitstimmenergebnisses auf die Sitzverteilung im Sächsischen Landtag zu ermöglichen, muss das gegenwärtig zur Anwendung kommende Höchstzahlverfahren nach d’Hondt, was tendenziell starke Parteien bei der Sitzzuteilung bevorteilt, durch ein möglichst neutrales Sitzzuteilungsverfahren ersetzt werden", fordert sie. "Wir sollten uns dem bei der Bundestagswahl und für zahlreiche Landtage angewandten sogenannten ‚Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers‘ anschließen."
In der jüngeren Rechtsprechung durch den Verfassungsgerichtshof des Landes Schleswig-Holstein, wurde betont, dass eine Abweichung von der Regelzahl der in der Verfassung vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten nach Möglichkeit zu vermeiden ist. So heißt es im Urteil des Landesverfassungsgerichts Schleswig-Holstein vom 30. August 2010 (LVerfG 3/09 unter RN 128): "Um diese Regelgröße [der Landtagsmandate] möglichst genau zu erreichen, hat der Gesetzgeber daher das Entstehen von Überhangmandaten so weit wie möglich einzuschränken und darf nicht vorrangig die Ausgleichsmandate begrenzen. Dem Gesetzgeber stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, um die wahlrechtlichen Verhältnisse so zu ändern, dass einerseits die Entstehung ungedeckter Überhangmandate (Mehrsitze) für die Zukunft ausgeschlossen werden kann und andererseits ein unzuträgliches Anwachsen des Landtags vermieden wird. Im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden verfassungsrechtlichen Gestaltungsrahmens bleibt es ihm überlassen, in welcher Weise er von den oben aufgezeigten Möglichkeiten Gebrauch macht (vgl. Urteil vom 26. Februar 2010 – LVerfG 1/09 – NordÖR 2010, 155 ff. = Die Gemeinde SH 2010, 79 ff. = SchlHA 2010, 131 ff., Juris Rn. 147-152 m.w.N.)."
» Positionspapier "Überhangmandate abschaffen, Wahlrecht reformieren"
Hintergrund:
Durch die Absenkung der Zahl der Wahlkreise wäre in der Folge ein Neuzuschnitt der einzelnen Wahlkreise notwendig. Eine Orientierung für den zukünftigen Neuzuschnitt der Wahlkreise nach diesem Vorschlag bilden die aktuellen Überlegungen der Wahlkreiskommission für eine Reduzierung der Wahlkreise auf 45 Direktwahlkreise (Drs. 5/8146).
Nach dem Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würde jeweils noch ein Wahlkreis in Dresden, Bautzen und Leipzig dazu kommen.