PM 2012-327: Misst die Staatsanwaltschaft Dresden die Blockierer des 19. Februars 2011 mit zweierlei Maß?
Die Dresdner Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen die GRÜNEN-Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen wegen Störung von Versammlungen und Aufzügen (am 19.02.2011 in Dresden) eingestellt. Dazu erklärt Eva Jähnigen:
"Ich bin mehr als irritiert. Erst vor zwei Wochen musste der Landtag über die Aberkennung der Immunität eines Kollegen der Linken entscheiden und zeitgleich stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen mich wegen geringer Schuld ein. Unabhängig davon, dass ich wegen der Umstände der ‚Tatbegehung‘ einen Freispruch erwartet hätte, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Staatsanwaltschaft Dresden die Blockierer des 19. Februars 2011 mit zweierlei Maß misst."
"Ich habe immer deutlich gemacht, dass ich nicht blockiert, sondern als Polizeibeobachterin das Verhalten der Polizei ausgewertet habe. Dafür gibt es viele Zeugen. Warum wird dann das Verfahren gegen mich wegen angeblich vorhandener geringer Schuld und nicht nach Paragraf 170, Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) (‚kein Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage‘) eingestellt?"
"Andere Abgeordnete werden wegen angeblicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz weiter verfolgt. Mir bot die Staatsanwaltschaft wie allen anderen betroffenen Landtagsabgeordneten mehrfach eine Einstellung meines Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße gemäß Paragraf 153a StPO (‚Einstellung des Verfahrens nach Erfüllung von Auflagen, etwa Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung‘) an. Warum kommt sie nun plötzlich zu einer anderen strafrechtlichen Bewertung und hält wegen geringer Schuld den Paragraf 153 StPO für anwendbar, obwohl ich keine Geldbuße gezahlt habe? Wenn die Dresdner Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar agiert, handelt sie willkürlich und man muss sich um ihr Ansehen wirklich Sorgen machen."“
"Leider muss ich zur Kenntnis nehmen, dass es gegen diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft keine Möglichkeit der Überprüfung durch ein unabhängiges Strafgericht gibt. Von der bislang angebotenen Verfahrenseinstellung hatte ich keinen Gebrauch gemacht, weil ich davon ausgegangen bin, in einem Gerichtsverfahren freigesprochen zu werden."
» Schreiben der Staatsanwaltschaft zur Verfahrenseinstellung
Hintergrund:
Eva Jähnigen hat am 19.02.2011 das Geschehen in der Dresdner Südvorstadt als so gekennzeichnete ‚Polizeibeobachterin‘ beobachtet. Neben Polizeiketten, der kirchlichen Mahnwache, Demonstrationen und anderen Brennpunkten besuchte sie auch Blockaden. Zum Zeitpunkt der Kesselung auf dem Fritz-Löffler-Platz befand sie sich dort, versuchte unter Angabe ihrer Identität gegenüber der Polizei zwischen den Demonstranten und der Polizei zu vermitteln. Sie machte von dem Angebot eines vorzeitigen Abzuges keinen Gebrauch, um das Geschehen bis zum Schluss zu beobachten. Infolge dessen wurden ihre Personalien wie die der anderen anwesenden Bürger festgestellt.
Wenige Wochen nach dem 19. 02. 2011 wurde die Abgeordnete von der ‚Soko 19.02.‘ wegen des u. a. von ihr miterstellten Berichtes der Polizeibeobachter auf freiwilliger Basis zu ihren Beobachtungen am 19. 02. 2011 vernommen und machte dabei vollständige Aussagen zu ihrem eigenem Tun am 19.02.2011. Über diese Vernehmung wurde ein Zeugenbefragungsprotokoll erstellt.
Gleichzeitig nahm die Staatsanwaltschaft Dresden in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 gegen Jähnigen ein Verfahren wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz auf. Die Staatsanwaltschaft bot Jähnigen die Einstellung gemäß § 153a StGB gegen Zahlung einer Geldbuße an oder kündigte als Alternative einen Antrag auf Aufhebung der Immunität an. Dass bei der Soko Rex erstellte Befragungsprotokoll wurde nicht Bestandteil des Verfahrens und wurde weder Jähnigen noch ihrem Anwalt ausgehändigt.
Erst nachdem Jähnigen im Januar 2012 den gegen sie erhobenen Vorwurf und ihr Unverständnis darüber öffentlich gemacht hatte, erhielt sie von der Staatsanwaltschaft Dresden das Protokoll ihrer Zeugenbefragung bei der ‚Soko Rex‘ übersandt. Im Sommer 2012 bot die Staatsanwaltschaft Dresden Jähnigen erneut die Einstellung gemäß § 153a StGB an und kündigte als Alternative dazu den Antrag auf Aufhebung der Immunität an. Hierauf ging Jähnigen nicht ein.
Dennoch erhielt sie ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Dresden vom 20.09.2012 in dem ohne weitere Begründung mitgeteilt wurde, das Verfahren werde gemäß § 153 StGB eingestellt.