PM 2013-17: Kommunalwahlrecht – Sachverständigenanhörung zeigt Verbesserungsbedarf
Zur heutigen Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften in Sachsen erklärt Eva Jähnigen, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
"Die Koalition muss die einhellige Aufforderung der Sachverständigen aufnehmen, zukünftig die Straßensammlung für Unterstützerunterschriften für Wahlvorschläge zuzulassen. Dass solche Unterstützungsunterschriften auch zukünftig nur in kommunalen Behörden geleistet werden dürfen, erschwert unnötig die Kandidatur von Bewerberinnen und Bewerbern. Die jüngsten Debatten um die eingeschränkten Öffnungszeiten des Rathauses bei der Abgabe von Unterstützerunterschriften für die OBM-Wahl in Leipzig zeigen, dass hier eine Änderung dringend notwendig ist. Bei Bundestagswahlen ist das ja geübte Praxis."
"In der Anhörung wurde die GRÜNEN-Forderung nach einer Ersetzung des ungerechten d’hondtschen Sitzzuteilungsverfahrens im Kommunalwahlgesetz von mehreren Sachverständigen als sinnvoll und notwendig angesehen. Dass auch die Landeswahlleiterin Irene Schneider-Böttcher hier eine Änderungsnotwendigkeit sieht, sollte der Staatsregierung zu denken geben. Sachsen sollte mit der Abschaffung von D’Hondt dem Beispiel fast aller anderen Bundesländer folgen und sich endlich aus der wahlrechtlichen Steinzeit verabschieden."
"Die Staatsregierung bleibt mit ihrem Gesetzentwurf auf halber Strecke stehen. Dies zeigen die Verbesserungsvorschläge der Sachverständigen in der heutigen Anhörung. Es wäre mehr als Anpassungen an die Rechtsprechung und Klarstellungen beim Gesetzestext notwendig gewesen. Ein modernes und bürgerfreundliches Kommunalwahlgesetz ist der Staatsregierung mit diesem Vorschlag nicht gelungen."
Hintergrund:
- Die Regelung zu Unterstützungsunterschriften im Paragraf 6b des Kommunalwahlgesetzes sieht vor, dass die Wahlberechtigten ihre Unterstützerunterschriften für einen Kandidaten bei der Gemeindeverwaltung (i.d.R. das Rathaus) zu leisten haben. Durch den Gesetzentwurf der Staatsregierung soll zukünftig auch die Abgabe von Unterstützungsunterschriften bei Kreistagswahlen in den lokalen Gemeindeverwaltungen statt ausschließlich beim Landratsamt und somit eine dezentralere Abgabe als bisher, ermöglicht werden. Diese Dezentralisierung wurde durch die kommunalen Verwaltungen in der Anhörung wegen des damit einhergehenden Verwaltungsaufwandes als unpraktikabel angesehen. Stattdessen wurde die Möglichkeit gefordert, dass die Bewerber, wie bei der Bundestagswahl, eigenständig Unterschriften auf der Straße sammeln können, eingefordert um die Antrittshürden möglichst niedrig zu halten.
- In Paragraf 22, Abs. 1 des sächsischen Wahlgesetzes wird weiterhin das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt als Sitzuteilungsverfahren für die Kommunalwahlen festgehalten. Dieses Sitzzuteilungsverfahren wird derzeit bei Kommunalwahlen nur noch in Baden-Württemberg, dem Saarland und Sachsen angewendet. Es bevorzugt bei der Errechnung der Sitzverteilung aus dem Wahlergebnis tendenzielle große Parteien. Insbesondere bei teils sehr kleinen Gemeinderäten führt dies zu einer massiven Verzerrung der Sitzverteilung gegenüber dem Wahlergebnis. In den letzten Jahren hat sich das diesbezüglich weitestgehend unverzerrende Sitzzuteilungsverfahren nach Sainte Lague/Scherpers als wahlrechtlicher Standard durchgesetzt und fand Eingang Wahlgesetze verschiedener Länder.