Datum: 01. November 2013

PM 2013-280: Schwarz-gelber Angriff auf Privatsphäre verfassungsrechtlich bedenklich

Im Schatten von Bundestagswahl und Koalitionsbildung auf Bundesebene haben CDU- und FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes, des Verfassungsschutzgesetzes, des Versammlungsgesetzes sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Drs. 5/12799) ohne erste Lesung im Plenum in den Landtag eingebracht.
Ein schnelles Gesetzgebungsverfahren ist offenbar gewünscht, das Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Die von der GRÜNEN-Fraktion durchgesetzte Sachverständigenanhörung wurde per Mehrheitsentscheidung auf den 14.11., 14 Uhr, angesetzt.
Laut Pressemeldungen (DNN vom 15.10.) gäbe es nun einen Zwist zwischen CDU und FDP.
Dazu erklärt Johannes Lichdi, rechtspolitische Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
"Der vorliegende Gesetzentwurf von CDU und FDP ist ein Angriff auf unsere Privatsphäre und ist verfassungsrechtlich bedenklich. Es ist Treppenwitz, dass ausgerechnet die Versagerbehörde vom Verfassungsschutz weitere Befugnisse zum Zugriff auf Telekommunikationsdaten zur Durchführung von Strukturermittlungen bekommen soll, also fernab von Gefahrenlagen im Einzelfall. Dies beschreibt die beschränkte Reichweite der Liberalen als angebliches Rechtsstaatskorrektiv in dieser CDU-geführten Staatsregierung."

"Nach dem Entwurf der Koalition sollen der sächsischen Polizei mit der Befugnis zu Bestandsdatenabfragen (Name und Adresse) zur Erfüllung jeder Art von Aufgaben auch schwere Grundrechtseingriffe erlaubt werden. Wohin die Reise gehen soll, zeigt die Massenbestandsdatenabfrage nach dem 19. Februar 2011, von der mehr als 55.000 Menschen betroffen waren. Gerade bei der Zuordnung von IP-Adressen hatte das Bundesverfassungsgericht angesichts technischer Entwicklungen und über die Wirkung eines traditionellen Rufnummernregisters hinausgehenden Informationspotentiales darauf hingewiesen, dass die Ermöglichung der Identifizierung von IP-Adressen nur unter engeren Grenzen verfassungsrechtlich zulässig ist. Genau diese Grenzen will die Koalition nicht setzen. Es fehlen qualifizierte Eingriffsschwellen, um die Angemessenheit der heimlichen Datenabfragen sicherzustellen. Ermöglicht werden soll die Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse auch für Zwecke, die weit geringere Bedeutung haben als die in der Begründung angegebene konkrete Gefahrensituation für Leib und Leben, etwa bei Suizidankündigungen. Dies wäre durch die Beschränkung auf konkrete Gefahren für hochrangige Rechtsgüter gewährleistet, wie etwa in Nordrhein-Westfalen geschehen."
"Diese Defizite können auch nicht durch den Richtervorbehalt kompensiert werden, den die Koalition vorsieht, um dem Gesetzentwurf einen rechtsstaatlichen Anstrich zu geben. Durch die weit gefasste Ermächtigung droht dieser leer zu laufen."
› Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen, zur Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes und zur Änderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Gesetzentwurf CDU, FDP, 26.09.2013, Drs 5/12799)