PM 2013-99: Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz? – GRÜNE-Fraktion gibt Gutachten beim Juristischen Dienst in Auftrag
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ein Gutachten beim Juristischen Dienst des Sächsischen Landtags in Auftrag gegeben. Darin soll geklärt werden, welche Folgen der ab 1. August 2013 gültige Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr für die sächsischen Landkreise, Städte und Gemeinden sowie für Eltern von Kleinkindern hat.
Dazu erklärt Annekathrin Giegengack, stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion:
"Müssen die Kommunen ab dem 1. August mit einer Klageflut rechnen und Schadensersatz leisten, wenn sie nicht genügend Betreuungsplätze für die Knirpse zur Verfügung stellen können? Was wird aus dem Wunsch und Wahlrecht der Eltern? Dürfen die Kommunen Auswahlkriterien anwenden, wenn die Plätze nicht reichen oder Abstriche machen bei der Qualität der Betreuung? Diese und weitere Fragen stehen im Raum und verunsichern Eltern und Einrichtungen gleichermaßen."
Der Rechtsanspruch auf Betreuung, Erziehung und Bildung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes stellt eine gewaltige Herausforderung insbesondere für die Städte Leipzig und Dresden dar. Trotz einer eher niedrig prognostizierten und empirisch ungestützten Bedarfsprognose von 74 Prozent müssten in Leipzig in diesem Jahr rund 2.500 neue Plätze entstehen, um allein die Planvorgaben zu erfüllen. Durch Bauverzögerungen werden neue Kitas jedoch häufig erst später fertig als geplant. Die Landeshauptstadt Dresden versucht über ein sogenanntes Raumprogramm noch Aufnahmemöglichkeiten für die unter Dreijährigen zu organisieren. Dennoch wird von einer Planungslücke von 300 bis 400 Krippenplätzen ausgegangen – bei einer Bedarfsquote von 86 Prozent.
"Dass das Gutachten des juristischen Dienstes trotz rechtzeitiger Anmeldung erst einen Monat nach Inkrafttreten des Rechtsanspruches fertig sein soll, zeigt, wie brisant das Thema Kita-Betreuung ist. Hier versucht das Land mal wieder einen schlanken Fuß zu machen. Seit Jahren lässt der Freistaat die Kommunen bei der Sicherung dieser zentralen Zukunftsaufgabe im Regen stehen. So wurde der Anteil des Landes an den Kita-Betriebskosten nicht mehr angepasst und bis zum Jahr 2013 gab es keine Landesfördermittel für Investitionen in den Kita-Bau. Wenn es jetzt die Städte nicht schaffen genügend Plätze bereitzustellen, hat auch die Staatsregierung daran ihren Anteil."
Hintergrund:
Auszug aus dem Fragenkatalog zur Prüfung der Folgen des Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (darin: Änderung des § 24 des Achten Buches Sozialgesetzbuch) für den Freistaat Sachsen, insbesondere dessen Kommunen:
- Welche Leistungspflichten sind mit Einführung des Rechtsanspruchs für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verbunden und inwieweit sind diese qualitativ höher als nach bisheriger Rechtslage?
- Wie weit reicht das Wunsch- und Wahlrecht der Erziehungsberechtigten bei der Geltendmachung ihres Rechtsanspruches in Bezug auf Betreuungsart (Tageseinrichtung oder Kindertagespflege), Ort sowie zeitlichen Umfang?
- Welche Folgen hat es für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wenn ein Platz nicht zum geforderten Zeitpunkt also den 1. Geburtstag des Kindes bereitgehalten werden kann?
- Unter welchen Voraussetzungen sind den Eltern die Kosten für eine Alternativbetreuung ihres Kindes zu erstatten oder Schadensersatz für Lohnausfall zu zahlen?
- Welche Auswahlkriterien (z.B. Berufstätigkeit der Eltern, vorherige Anmeldung des Bedarfs, Geschwisterkinderregelung, Punktesystem im Fall von Zuzug u.a.) können öffentliche Träger der Jugendhilfe anwenden, insbesondere wenn die Zahl der Anspruchsberechtigten die Zahl der verfügbaren Plätze übersteigt?
- Inwieweit sind die Qualitätsanforderungen an frühkindliche Bildung nach dem sächsischem KitaGesetz (z.B. Qualifizierung der Erzieher/innen) für die Erfüllung des Anspruchs zu berücksichtigen?
- Inwieweit und aufgrund welcher Rechtsgrundlage sind Bund und/oder Land verpflichtet, den Kommunen Mehrbelastungsausgleich für die durch die Einführung des Rechtsanspruches entstehenden finanziellen Mehrbelastungen zu zahlen?
- Welche Möglichkeiten haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, den Bedarf verbindlich planen zu können und inwieweit sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu einer zentralen Erfassung des Bedarfs für ihren Einzugsbereich verpflichtet?
- Ist es rechtmäßig, freie Träger bei einer zentralen Erfassung des Betreuungsbedarfs einzubeziehen bzw. zu einer Mitwirkung zu verpflichten?
- Inwiefern kann die Mitwirkung der Eltern bei der Bedarfsplanung z.B. durch Festsetzung von Anmeldefristen gestaltet werden und inwieweit kann die fehlende Mitwirkung der Eltern bei der Bedarfsplanung den Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihr Kind ausschließen?